Das Muster der Liebe (German Edition)
Ladens. Die Toilette war widerlich. Sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, wann sie zum letzten Mal gereinigt worden war. Der blaue Zusatz zum Spülwasser konnte nicht mehr verdecken, dass sich in der Schüssel langsam Verfärbungen zeigten. Seltsam, dass ihr das in diesem Moment auffiel.
Sie stand am Waschbecken und starrte in den Spiegel. Die Stimmen in ihrem Kopf kannte sie nur zu gut. Es waren hässliche, negative Stimmen, die ihr Worte entgegenschrien, die sie nicht hören wollte. Sie lachten sie aus und riefen, sie sei eine Versagerin. Egal, was sie anfasste oder wie sehr sie sich bemühte, sie würde niemals etwas erreichen. Ihr Leben war verdammt. Dies war ihr Schicksal. Niemals würde sie mehr verdienen als das Minimalgehalt, niemals würde sie geliebt werden, niemals würde sie ein eigenes Heim besitzen. All die Sachen, die für normale Menschen so selbstverständlich waren wie ein Telefon oder eine Spülmaschine.
Sie schlug die Hände vors Gesicht, schloss die Augen und fühlte, wie sich tiefe Trauer in ihr ausbreitete. Sie konnte spüren, wie sich ein Gewicht auf ihre Schultern senkte, wie es sie niederdrückte. Vergeblich versuchte sie, die Depression zu vertreiben.
Sie hörte die widerwärtigen Namen, die ihre Mutter ihr gegeben hatte. Sie nahm die Schelte der Lehrer und die schmerzlichen, herablassenden Kommentare ihrer Mitschüler wahr. Die Demütigung war genauso deutlich zu spüren wie vor zwölf Jahren. Alix wollte die verletzenden Worte begraben, loswerden, nie wieder hören. Doch stattdessen hallten sie mit solcher Macht in ihrem Kopf, dass sie das Gefühl hatte, ihre Knie würden unter ihrem Gewicht nachgeben.
Es klopfte an der Tür. Überrascht wandte sie den Kopf.
“Alix, bist du da drin?”
Laurel. Verdammt. “Was ist?”, stieß sie missmutig hervor.
“Er ist wieder da.”
“Wer?”
“Der Typ, mit dem du dich vorhin unterhalten hast. Ich weiß nicht, wie er heißt.”
Alix biss sich auf die Unterlippe. “
Du
kannst ihm doch weiterhelfen.”
“Er hat aber nach dir gefragt.”
“Warum?”, fragte sie und runzelte die Stirn.
“Keine Ahnung”, entgegnete Laurel genervt. “Soll ich auch noch Gedanken lesen können?”
“Ich komme in einer Minute, okay?” Alix straffte die Schultern, fuhr sich mit den Händen durchs Haar und versuchte, mit dieser Situation zurechtzukommen. Sie fragte sich, warum Jordan sie sehen wollte.
Weil ihr Gesicht ganz rot war, ließ sie kaltes Wasser über ihre Hände laufen und presste sie gegen ihre Wangen.
Sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, bis sie endlich den Mut gefasst hatte, rauszugehen und Jordan gegenüberzutreten.
Er stand am Tresen und wartete. Als sie näher kam, lächelte er.
“Du hast nach mit gefragt?”, begrüßte sie ihn, als hätte er sie bei irgendetwas gestört. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, als freue sie sich darüber, ihn zu sehen – und in Wahrheit tat sie das auch nicht. Nachdem sie sich einmal vor ihm blamiert hatte, verspürte sie nicht das Bedürfnis, diese Erfahrung zu wiederholen. Nicht jetzt zumindest.
“Du hast gesagt, du hast mir
The Matrix
zurückgelegt?”
Ihre Erleichterung kannte keine Grenzen. “Ja, das hätte ich beinahe vergessen. Er ist da vorne”, sagte sie und ging an ihm vorbei zu dem Regal, in das sie den Film gelegt hatte.
“Danke, dass du das für mich getan hast.”
“Kein Problem”, erwiderte sie und starrte angestrengt auf den Computermonitor hinter dem Tresen. Nachdem er die Leihgebühr bezahlt hatte, legte Alix das Video in die Hülle, verstaute alles in einer Tüte und reichte sie ihm über den Tresen. “Wir haben diese Woche Mikrowellen-Popcorn im Angebot, falls du Lust hast.”
“Nein, danke. Ich habe gerade einen Rieseneimer davon gekauft. Ich denke, ich habe für die nächsten zehn Jahre genügend Popcorn.”
Sie stützte die Ellbogen auf den Tresen. Die Situation war ihr peinlich. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen, was sie fragen sollte. Wenn sie jetzt den Jordan Turner aus der vierten Klasse erwähnen würde, musste sich das wie eine lahme Anmache anhören. “Äh, gibt es denn noch andere Filme, die ich für dich beiseitelegen soll?” Das war nicht gerade eine brillante Frage, aber wenigstens ergab sie einen Sinn.
Er zuckte die Schultern. “Ich wüsste im Augenblick nicht, welchen. Aber wenn mir etwas einfällt, sage ich es dir.”
“Okay.”
Mit einem Kopfnicken ging er. Die Glastür schloss sich hinter ihm, und wie durch ein
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