Das Muster der Liebe (German Edition)
den jede einzelne meiner Schülerinnen gemacht hatte. Es war nur ein bisschen schwierig, Jacqueline beinahe jede Woche davon zu überzeugen, den Kurs nicht hinzuschmeißen. Eigentlich wollte sie bereits nach der zweiten Stunde den Unterricht aufgeben. Aber ich konnte sie überreden, weiterzumachen. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass sie
wollte
, dass ich sie bat zu bleiben. Im Endeffekt war ich glücklich, dass ich es getan hatte. In der dritten Stunde hatte es noch einige riskante Momente gegeben; immer wenn Alix eine Masche verlor, fing sie an, so unflätig zu schimpfen, dass ich fürchtete, Jacqueline würde jeden Augenblick ins Koma fallen. Ich schlug Alix vor, einen anderen Weg zu finden, um ihren Frust auszudrücken. Zu meiner Überraschung entschuldigte sie sich – es war nicht das erste Mal, dass sie mich beeindruckte. Sie war gar nicht so schlimm, man musste sie nur erst mal etwas näher kennenlernen.
Carol war meine begabteste Schülerin. Sie hatte die Babydecke fast fertig und sah sich bereits nach neuen Projekten um. Sie kam mindestens zweimal die Woche in meinen Laden und unterhielt sich mit mir. Whiskers saß ein paarmal auf ihrem Schoß und zeigte mir damit, dass er meine neue Freundin durchaus guthieß.
Mom liebt es, Geschichten aus meinem Laden zu hören. Wir reden fast jeden Tag miteinander. Sie braucht es. Und um ehrlich zu sein, genieße ich es genauso. Ich mag vielleicht dreißig Jahre alt sein, aber eine Tochter legt ihr Gefühl der Verbundenheit und das Bedürfnis nach der Mutter wohl nie ganz ab.
“Margaret und die Kinder kommen gleich”, sagte Mom beiläufig, doch damit führte sie mich nicht hinters Licht. Mit ihren Worten warnte sie mich. Sie stellte ihre Porzellantasse ab und legte die Hände in den Schoß. Meine Mutter besitzt eine natürliche Grazie, um die ich sie beneide. Margaret kommt in der Hinsicht ganz nach ihr.
Mir ist es schon immer schwergefallen, meine Mutter treffend zu beschreiben. Man könnte meinen, sie sei so zerbrechlich, wie sie aussieht, aber das stimmt nicht. Sie besitzt eine Stärke, für die ich sie bewundere. Während meiner Krebserkrankung hat sie meine Interessen gegenüber den Ärzten und der Versicherung vertreten. Sie ist liebevoll und großzügig und versucht immer, ihren Lieben alles recht zu machen. Ihre einzige Schwäche ist ihre Unfähigkeit, mit Krankheit umzugehen. Sie kann es nicht ertragen, mich – oder irgendjemanden – leiden zu sehen, und zieht sich daher in solchen Fällen zurück. Zum Glück ist Dad immer für mich da gewesen.
“Bringt Margaret Julia und Hailey mit?”, fragte ich.
Meine beiden Nichten sind wie ein Wunder für mich. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eigene Kinder haben werde, geht gegen null, und so nehmen die Töchter meiner Schwester einen besonderen Platz in meinem Herzen ein. Es war sehr schade, dass Margaret Schwierigkeiten mit meinem guten Verhältnis zu den beiden zu haben schien. Sie behütete ihre Töchter voller Eifersucht.
Julia und Hailey jedoch erkennen meine Zuneigung und lieben mich – zu Margarets Überraschung – von ganzem Herzen. Die pure Freude der zwei bei jedem zufälligen Treffen schmerzte Margaret so sehr, dass sie alles tat, um mich von meinen Nichten fernzuhalten.
“Großmutter!” Die neunjährige Hailey rannte mit ausgebreiteten Armen in den Garten. Als sie mich erblickte, juchzte sie vor Freude auf. Sie sprang, nachdem sie meine Mutter begrüßt hatte, in meine Arme, wobei sie mich fast erwürgte.
Die vierzehnjährige Julia war etwas zurückhaltender. Doch auch in ihren Augen konnte ich ablesen, wie sehr es sie freute, mich zu sehen. Ich streckte meinen freien Arm nach ihr aus, und als sie zu mir kam, schüttelten wir uns die Hände. Ich drückte sanft ihre Finger. Wie groß Julia geworden war: beinahe schon eine Frau – und eine Schönheit. Mein Herz wollte bei ihrem Anblick vor Stolz beinahe zerbersten.
“Tante Lydia, bringst du mir das Stricken bei?”, fragte Hailey, ohne mich loszulassen.
Ich warf einen Blick über meine Schulter, gerade als Margaret und ihr Ehemann durch die Hintertür in den Garten traten. Am missbilligenden Stirnrunzeln meiner Schwester konnte ich erkennen, dass sie die Frage gehört hatte. “Ich würde es dir sehr gern beibringen. Aber die Entscheidung liegt bei deiner Mutter.”
“Wir werden später darüber reden”, sagte Margaret äußerst knapp. Hailey legte den Arm fest um meine Schultern. Offenbar war sie nicht bereit, mich in nächster Zeit
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