Das Muster der Liebe (German Edition)
Tammie Lee eines Tages selbst solche Dinnerpartys würde ausrichten müssen. Sie konnte nur hoffen, dass das Mädchen bis dahin das eine oder andere von ihr gelernt haben würde. Aber irgendwie zweifelte sie daran.
“Du bist eine wundervolle Gastgeberin”, fuhr Tammie Lee fort, als sie mit dem nächsten Stapel Geschirr in die Küche kam.
“Danke.” Jacqueline verkniff sich den Kommentar, dass jeder einzelne dieser Porzellanteller mehr kostete als Tammie Lees gesamte Sommergarderobe. “Wo sind Reese und Paul?”, fragte sie stattdessen. Sie war müde. Die Party hatte sie viel Kraft gekostet, und sie wünschte sich, ins Bett gehen zu können. Dazu mussten Paul und Tammie Lee nur endlich gehen, damit sie den Rest aufräumen konnte.
“Sie sind im Arbeitszimmer und unterhalten sich”, erwiderte ihre Schwiegertochter. Offenbar war im Wohnzimmer kein Geschirr mehr, denn sie setzte sich auf einen Küchenstuhl und legte die Beine hoch. Sanft streichelte sie mit ihren Händen über ihren runden Bauch. Es wurde immer deutlicher, dass sie schwanger war. Jacqueline konnte ihrem Sohn noch immer nicht verzeihen, dass er ihnen sechs Monate lang überhaupt nichts von der Schwangerschaft erzählt hatte.
Sie fragte sich, worüber Vater und Sohn denn so lange sprachen. Versonnen kratzte sie die Speisereste von den Tellern und stellte das Porzellan anschließend in die Spülmaschine.
“Ich hoffe, es war dir recht, dass ich dem Bürgermeister die Decke gezeigt habe, die du für unser Kind strickst”, sagte Tammie Lee. “Ich finde es einfach wunderbar, dass du das für dein erstes Enkelkind tust.”
Jacquelines Blick verfinsterte sich, aber sie hielt den Kopf gesenkt, damit Tammie Lee ihre Reaktion nicht sehen konnte. “Das war schon in Ordnung.”
Als sie mit dem Geschirr fertig war, setzte sie sich auch auf einen Stuhl und schenkte sich ein Glas Wein ein. Wenn sie schon mit ihrer Schwiegertochter in der Küche “eingesperrt” war, brauchte sie wenigstens eine Stärkung.
Tammie Lee blickte sie an. “Hab ich dir eigentlich erzählt, wie meine Mama mit dem Traktor meines Daddys den Briefkasten umgefahren hat?”
Jacqueline schluckte ein Seufzen hinunter. “Ich denke,
die
Geschichte kenne ich noch nicht”, sagte sie und schwenkte den Wein in ihrem Glas.
Wenn Tammie Lee den Sarkasmus in ihrer Stimme gehört hatte, so entschied sie sich, so zu tun, als hätte sie den Misston nicht wahrgenommen. “Es ist das einzige Mal, dass mein Vater meine Mama angeschrien hat. Meine Mama lief tränenüberströmt ins Haus. Und auch ich rannte hinein, wütend, dass mein Daddy so mit ihr geschimpft hatte.”
“Männer neigen dazu, offen ihre Meinung zu sagen”, entgegnete Jacqueline. Sie nippte an ihrem Wein und ließ den Schluck langsam über ihre Zunge perlen. Bei fünfzig Dollar pro Flasche nahm sie sich die Zeit, die Qualitäten dieses Merlots auszukosten.
“Später erzählte Mama mir, dass er nur so gebrüllt hat, weil der Traktor hätte umstürzen und Mama verletzen können. Der Briefkasten war ihm total egal. Daddy hat meine Mutter geliebt und einfach Angst um sie gehabt. Sie war mit dem Traktor so nah an den Bewässerungsgraben gefahren, dass sie leicht mit dem ganzen Fahrzeug hätte umkippen können. Daddys Gebrüll war also nur ein Zeichen dafür, wie sehr er sie eigentlich liebte.”
Jacqueline wusste nicht genau, was ihre Schwiegertochter ihr mit dieser Geschichte sagen wollte. Sie nahm einen Schluck von ihrem Wein.
“Ich hoffe, ich habe vorhin nichts Falsches gesagt”, stieß Tammie Lee plötzlich hervor und sah Jacqueline mit großen Augen an.
Gleichgültig zuckte Jacqueline die Schultern. “Ich glaube, der Bürgermeister hat sich … amüsiert.”
“Nicht wegen des Bürgermeisters”, erwiderte Tammie Lee. “Ich meinte, als ich gefragt habe, ob zwischen Reese und dir alles in Ordnung ist.”
“Alles ist völlig in Ordnung”, entgegnete Jacqueline steif. Sie spülte den Rest des Merlots hinunter – zur Hölle mit der Qualität – und stellte das Glas auf den Tisch.
“Gut”, sagte Tammie Lee, “denn Paul und ich lieben euch sehr. Unser Baby braucht eine Großmutter
und
einen Großvater.”
Irgendwie brachte Jacqueline ein Lächeln zustande. “Also hat deine Mutter tatsächlich mit dem Traktor den Briefkasten kaputt gefahren?”, murmelte sie.
“Zweimal.”
“Zweimal?” Vielleicht lag es am Wein, aber Jacqueline brach in Lachen aus.
“Daddy war beim zweiten Mal auch nicht gerade begeistert
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