Das Muster der Liebe (German Edition)
Wasser sein und den warmen Sonnenschein auf meiner Haut spüren.”
“Im Nordwesten des Landes, am Pazifik?” Er lächelte, als er die Frage stellte. Ich konnte nicht anders, als zu lachen.
“Mein perfekter Tag wäre natürlich im Spätsommer, wenn wir jede Menge Sonnenschein haben.” Der vergangene Mittwoch war solch ein sonniger Tag gewesen. “Unterbrechen Sie mich nicht.”
“Jawohl, Ma’am.” Seine Augen funkelten vergnügt. Für einen kurzen Moment war ich so fasziniert, dass ich mich dazu zwingen musste, den Blick zu senken und mich zusammenzureißen.
“Also, an meinem perfekten Tag würde ich vom Gesang der Vögel und den Strahlen der Sonne geweckt werden”, erklärte ich. “Ich würde eine schöne heiße Tasse Kaffee trinken und ein warmes Croissant essen. Danach würde ich einen Spaziergang am Meer machen.”
“Und danach?”
“Ich würde stricken.” Ich wusste noch, wie überrascht mein Vater reagiert hatte. Dabei strickte ich zu dem Zeitpunkt bereits seit einigen Jahren. Aber dass diese Beschäftigung auch zu meinem perfekten Tag zählte, verwunderte ihn. In seinen Augen war Stricken ein derart einsames Hobby, dass ich über kurz oder lang zur Einsiedlerin werden würde.
“In Ihrem eigenen Laden?”, fragte Brad leise.
“Sozusagen.”
Das, was ich am Stricken so schätze, ist das Gemeinschaftsgefühl. Jedes Mal, wenn man einem Menschen (meistens Frauen, aber nicht ausschließlich) begegnet, der ebenfalls strickt, fühlt es sich an, als habe man einen langjährigen Freund wiedergetroffen. Stricken verbindet die Menschen. Ich habe bereits Kontakte zu anderen Strickbegeisterten geknüpft, während ich in der Arztpraxis, in der Schlange vor der Supermarktkasse und sonst wo wartete. Sofort erzählt man sich Geschichten von Strickmustern mit Druckfehlern und Projekten, die nie zu Ende geführt worden sind. Und wir alle lieben es, über besonders günstig erworbene Wolle oder unsere aktuellen Arbeiten zu sprechen.
“Wie würde Ihr perfekter Tag ausklingen?”
“Mit Musik und Kerzenschein”, sagte ich schüchtern. Das war eigentlich nur die halbe Wahrheit – meinem Dad erzählte ich damals, dass ich den Tag tanzend beenden würde.
Mein Vater hatte mir versprochen, dass ich diesen perfekten Tag erleben würde. Was keiner von uns beiden ahnte, war, dass er nicht da sein würde, um den Tag mit mir zu genießen.
“Was ist los?”, fragte Brad und musterte mich.
Ich schüttelte den Kopf. “Ich dachte nur gerade, wie sehr ich meinen Vater immer noch vermisse.”
Zu meiner Überraschung streckte Brad den Arm aus und drückte sanft meine Hand. “Sie hatten eine schwere Zeit.”
Seine Worte ärgerten mich. Ich wollte weder sein Mitgefühl noch seinen Trost. Was ich mir am meisten wünschte, war, einfach ganz normal behandelt zu werden. Und meine größte Angst war es, nicht mehr erkennen zu können, was überhaupt “normal” war.
“Der Krebs ist ein Teil meines Lebens, aber er ist nicht alles. Heute bin ich krebsfrei, doch ich weiß nicht, was morgen oder nächste Woche sein wird. Die letzten zehn Jahre steckte ich in einer Art Warteschleife, aber das habe ich mittlerweile überwunden. Es waren nicht nur die Ärzte, die Medizin oder die Operationen, die mich gerettet haben – vor allem, als ich hörte, dass der Krebs trotz allem zurückgekehrt war.” Ich atmete tief durch. “Mein Vater hat nicht zugelassen, dass ich mich aufgab. Und als ich das Stricken für mich entdeckte, konnte ich endlich etwas
tun
. Und zwar auch im Bett, wenn es mir nicht gut ging. Es war meine Möglichkeit, zu beweisen, dass ich kein Opfer war.”
Brads Blick verdüsterte sich, und ich wusste, dass er mir wirklich zugehört hatte.
“Gibt es noch etwas, das Sie wissen möchten?” Ich straffte die Schultern, bereit, mich den Fragen zu stellen.
Ein Lächeln umspielte seine Mundwinkel. “Wieso nur haben Sie so lange gebraucht, um mit mir ein Bier trinken zu gehen?”
“Beziehungen gehören nicht zu meiner Vorstellung eines perfekten Tages”, erklärte ich, obwohl das weit von der Wahrheit entfernt war.
“Ich möchte es wirklich wissen.”
Vor allem, weil ich Angst vor Zurückweisung hatte. Aber alles, was ich sagte, war: “Ich bin mir nicht sicher.”
“Würden Sie noch mal mit mir ausgehen?” Er blickte mich erwartungsvoll an.
Ich nickte.
“Gut, denn ich habe nur noch ein paar Minuten Zeit. Und ich würde Sie wirklich gern näher kennenlernen.”
Wir unterhielten uns noch ein bisschen.
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