Das Musterbuch (German Edition)
Charakteristika gut einarbeiten.
Giovanni wischte eifrig mit dem Handballen über das Blatt, so dass in den Gesichtspartien die Schattierungen vom natürlichen Sonnenlicht sichtbar wurden. "Was für ein hervorragendes Konterfei!" Der Mann war offensichtlich mit der Arbeit Giovannis zufrieden. "Würden Sie mir dies auch in Farbe umsetzen?" "Für welchen Preis?" konterte Giovanni geschäftstüchtig. "Sagen wir für 50 Dukaten!" Dieser Mann geizte nicht und Giovanni wollte sich auf den Handel einlassen. Da erschien ein Mann in schwarzem Gewand und rief schon über den Platz: "Herr Senator, Sie werden dringend im Justizpalast erwartet!" Giovanni war verblüfft, diesen jungen Mann in so hohem Amt zu wissen. "Bitte senden Sie mir Ihr fertiges Meisterwerk bitte in den Justizpalast, an Herrn Senator Corelli!" Giovanni willigte ein und schon war der Fremde mit seinem Pagen verschwunden.
***
Es dämmerte schon, als Giovanni das Atelier und Domizil des Malers aus Padua betrat. Andrea sass zusammen mit Gentile und Jacopo an einem Tisch und berichtete von seinem neuen Auftrag in Verona. Giovanni schnappte das Stichwort 'San Zeno' auf. "Komm zu uns, du 'Rumtreiber. Wir sitzen schon seit Stunden zusammen und feiern Andreas neuen Auftrag: ein Altarwerk für die Kirche San Zeno in Verona! Leider muss uns der Maestro schon morgen verlassen; er überlässt uns aber Haus und zwei seiner garzoni . Den Besten nimmt er natürlich mit sich!" Schon war die Stimmung Giovannis gehoben, beim Ausblick darauf, dass er bald frei im Atelier würde schaffen können. "Ihr Lieben, ich habe mir nur meinen ersten Auftrag in Padua geholt, das Bildnis des Senator Corelli!" "Chapeau, lieber Schwager, du hast da die Bekanntschaft eines ehrenwerten und bedeutenden Einwohner Paduas gemacht!" Heute Abend waren alle fröhlich und nach ausgiebigem gemeinsamem Mahl verabschiedeten sich die Brüder zeitig wegen der langen Reise, die sie doch recht müde gemacht hatte. Doch der Vater hatte noch einige Details mit seinem Freund zu besprechen.
Kapitel XII
anno 1456
Andrea liebte die Stadt Verona, ihre römischen Ruinen, das teatro , und die Stimmung der piazza delle erbe und natürlich die majestätischen Alte Burg. Die Kirche Sant'Anastasia kannte er bereits durch Pisanellos so poetischen Kampf des zurückhaltenden Heiligen Georg mit dem Drachen; wie anders dagegen war der Kämpfer Pisanello selbst, der sich so vehement gegen die Unterwerfung Veronas durch Venedig gewehrt hatte!
Die Kirche San Zeno war Andrea jedoch nicht vertraut. Entlang der Etsch ritt er flussabwärts und erblickte auf der linken Seite einen Campanile. Dies musste die Kirche San Zeno sein!
Im Inneren war es karg und ungemütlich kühl. Andrea schritt auf den Chorteil zu. "Hier etwa soll dein Meisterwerk stehen, maestro Mantegna!" vernahm Andrea eine Stimme hinter ihm. "Ich erkannte Sie gleich wegen dem garzone und dem Pferd auf der piazza San Zeno , beladen mit Mal-Utensilien. Ich dachte mir, dass Sie sich zunächst einmal den Ort des neuen Werkes anschauen würden. Darf ich mich vorstellen: Gregorio Correr, Ihr Auftraggeber. Hatten Sie eine angenehme Reise?"
"Ja, danke, der Weg ist ja nicht weit!" Andrea hatte nur einen halben Tag hierher gebraucht und war froh darüber, gleich in der Kirche begrüsst zu werden. "Wie sind denn die Vorstellungen des verehrten Herrn für Ihr Altarwerk?" Andrea wollte sich geistig schon ein Bild über den bevorstehenden Auftrag machen, um seine eigenen Ideen zeitig genug platzieren zu können.
„Ich dachte an ein dreiteiliges Werk in einem gemeinsamen grossen Rahmen, für den Sie einen Rahmenbauer zur Verfügung gestellt bekommen, ferner an drei kleine Predellentafeln und als Thema: die Mutter Gottes, gerahmt von den Heiligen Petrus, Paul, Johannes den Evangelisten und unseren Stadtheiligen Zeno sowie Benedikt, Laurentius, Gregor und Johannes den Täufer. In allem weiteren sind Sie frei!"
Gern wollte Andrea möglichst ohne viele Restriktionen arbeiten. Wie aber sollte er die drei Flügel optisch miteinander verbinden? Seine Vision vom neuen Werk war noch nicht geboren.
Zusammen mit dem Abt Correr und dem garzone betrat Andrea einen Platz in der Nähe der Kirche, um sich zu stärken. Herrlich waren Girlanden aus grünen Ästen aufgehängt, verziert mit allerlei bunten Früchten und roten Bändern. "Was wird denn hier gefeiert?" Der garzone hatte eine Schwäche für Volksfeste und freute sich bereits auf einen fröhlichen Tagesausklang.
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