Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
das?“, fragte ich, obwohl ich es bereits ahnte.
„Es ist eine innere Entzündung. Manchmal geht sie von allein
zurück, wenn man eine strenge Diät einhält. Aber hier sprechen alle Anzeichen
dafür, dass es bereits zu spät ist. Der Bauchraum ist bereits vergiftet. Meine
Kunst endet hier.“ Bedauernd hob der Arzt die Schultern.
Er flößte dem Jungen einen Trank ein, den er aus Kamillentee
und dem Inhalt des kleinen Fläschchens hergestellt hatte. Kurz darauf
entspannte sich Hans. „Die Schmerzen lassen nach“, sagte er hoffnungsvoll.
Ich drückte seine Hand und versicherte ihm, dass er bis zum
Aufbruch des Heeres wieder auf den Beinen wäre.
„Das ist Haschisch, ein sehr wirkungsvolles Schmerzmittel.
Es wird Euren jungen Freund die Schmerzen vergessen lassen und schöne Träume
bescheren“, sagte der Arzt und ließ das Fläschchen da. „Wenn der Schmerz
zurückkommt, verabreicht ihm vier bis sechs Tropfen, nicht öfter als sechs Mal
täglich.“
Da man ihm im Lazarett ohnehin nicht helfen konnte, brachte
ich meinen Knappen wieder zurück ins Zelt. Das Fieber stieg ständig und Hans wurde
zusehends schwächer. Sowie die Wirkung nachließ und er wieder Schmerzen bekam,
gab ich ihm von dem Haschisch.
Am dritten Tag holte ich einen Priester, der dem Jungen die
Beichte abnehmen sollte. Aber was sollte Hans schon beichten? Er hatte in seinem
jungen Leben kaum Gelegenheit gehabt, eine Sünde zu begehen.
Zwei Tage dauerte der Todeskampf seines jungen Körpers, dann
schlief Hans unter der Wirkung des Tranks friedlich ein und wachte nicht mehr
auf. Erst am folgenden Morgen bemerkte ich, dass er nicht mehr atmete.
Ich bezahlte den Priester, damit er für ein christliches
Begräbnis sorgte und machte mich niedergeschlagen mit meinen Waffenknechten auf
den Weg zum Sammelplatz des Heeres.
Hier war ein Bischof bereits dabei, eine flammende Rede zu
halten. Ich hörte kaum hin, als er die Kreuzfahrer militi christi nannte
und seine Rede schließlich mit dem Ruf „Deus lo vult!“ beendete, der von den
Kreuzfahrern begeistert aufgenommen wurde.
„ Gott will es !“, klang es in meinen Ohren nach. Warum
nahm Gott ausgerechnet den Unschuldigsten unter den Kämpfern zu sich, noch
bevor der Kreuzzug begann und er sich beweisen konnte?
Alle waren frohen Mutes, als es nach der langen Zeit des
Wartens endlich in Richtung Jerusalem ging. Wie ein Lindwurm schlängelte sich
die Kolonne der Kreuzfahrer durch die bergige, spärlich bewachsene Landschaft
nahe der Küste in Richtung Süden. Kein Feind ließ sich blicken.
Das war also das Heilige Land. Wenn ich an meine Heimat
dachte, musste ich zugeben, dass ich die lauen Sommer, die Seen und schattigen
Wälder dieser kargen Einöde bei weitem vorzog.
Die Luft flirrte in der brütenden Hitze. Es war eine Tortur,
stundenlang in voller Rüstung zu reiten, aber wir befanden uns schließlich in
Feindesland und konnten jeden Moment in Kampfhandlungen verwickelt werden. In
diesem Fall waren wir den größtenteils nur leicht gerüsteten Moslems gegenüber
im Vorteil.
Bei Jaffa verließen wir die Küste und wandten uns nach
Osten. Wir zogen jetzt durch die Wüste und die Hitze wurde immer
unerträglicher. Zum Glück hatten wir genügend Wasser dabei. Ich tat es den
erfahrenen alten Kämpen nach und trank immer nur in kleinen Schlucken, dafür
aber öfter.
Vorne wurde der Befehl zum Halten gegeben, endlich eine
kleine Pause. In dem Moment hörte ich schräg hinter mir ein lautes Scheppern.
Jemand war vom Pferd gefallen.
Reflexartig riss ich meinen Schild hoch und suchte mit den
Augen die Umgebung ab, während ich mit der anderen Hand nach dem Schwert griff.
Ein Pfeilschuss aus dem Hinterhalt? Ein paar Heckenschützen, die sich an den
Aufklärungstrupps vorbei geschlichen hatten?
Die anderen Ritter um mich herum sicherten nach allen Seiten
und blickten sich ebenfalls suchend um. Aber nichts geschah, alles blieb ruhig,
kein Pfeil flog und kein Feind ließ sich blicken.
Ich ließ mich vom Pferd gleiten und kniete mich neben den
Gestürzten und erschrak, als ich Sven erkannte. Sein Gesicht hatte die Farbe
einer reifen Tomate angenommen.
„Bist du verletzt?“, fragte ich den Hünen besorgt, konnte
aber keine Wunde entdecken.
„Nur mein S-tolz“, erwiderte dieser heiser.
„Es ist nur die Hitze“, meinte Rainulf neben uns, „der wird
schon wieder. Er braucht nur ein wenig Schatten.“
Ich rammte meinen Schild neben Sven in den Sand, so dass der
Schatten auf den Kopf des
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