Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
von dessen Kameraden erschlagen wurde.
So großzügig Friedrich gegenüber seinen Freunden und
Verbündeten sein konnte, so unerbittlich und gnadenlos war er gegenüber seinen
Feinden. Dabei achtete der Kaiser auf strengste Disziplin unter seinen
Kämpfern. In Städten, die sich ergaben, wurden Übergriffe streng bestraft. Wer
aber Widerstand leistete, wurde zu Freiwild. Dann galt das Kriegsrecht des
Siegers. Mord, Plünderung, Misshandlung und Vergewaltigung waren völlig legal,
ja sogar gewollt.
Dabei sympathisierten auch in feindlich gesinnten Städten
viele Bürger mit Federico, wie sie Friedrich hier in seiner Heimat nannten.
Aber das spielte keine Rolle für die entfesselten, blutrünstigen Soldaten.
Nach solchen Siegen betrank ich mich oft bis zur
Bewusstlosigkeit. Das fiel nicht auf, denn saufen taten alle, während sie sich
mit ihren Heldentaten brüsteten. Manchmal wusste ich nicht, ob ich mich wegen
dieser Reden oder wegen des Alkohols übergeben musste.
Ein paar Wochen waren bereits ins Land gegangen und das
Kaiserheer eroberte immer mehr Gebiete zurück. Je weiter wir ins Landesinnere vordrangen,
desto mehr Barone schlugen sich auf unsere Seite.
Eines Abends ging ich zum Zelt des Grafen von Aversa, der in
letzter Zeit kaum noch Zeit fand, sich an unseren Lagerfeuern blicken zu lassen
und bat um eine Audienz.
Die Wachen meldeten mich an und ich brauchte nicht lange zu
warten. Freudig empfing mich Rainulf und nahm mich bei den Schultern.
„Was führt Euch her, junger Freund?“, fragte er aufgeräumt
und ließ mir von seinem Mundschenk einen Becher Wein bringen.
Ein bisschen verlegen druckse ich herum. Dann holte ich tief
Luft und brachte mein Ansinnen vor, den Dienst quittieren zu wollen, um die
Heimreise anzutreten.
Die Mine des Grafen verdüsterte sich. „Ihr wollt uns also
verlassen, Ritter Conrad von der Lühe?“
„Es wird Zeit, mich um meine eigenen Angelegenheiten zu
kümmern. Ich war zwei Jahre fort von zu Hause“, entgegnete ich.
„Ich verstehe. Ich kann Euch nicht daran hindern, wenn Ihr
gehen müsst. Ihr habt keinen Eid geschworen, sondern seid aus freien Stücken
hier.“ Er zuckte mit den Schultern.
„Ich danke Euch“, sagte ich erleichtert.
Rainulf sah mir in die Augen. „Aber morgen ziehen wir gegen
eine der wichtigsten Städte Apuliens. Falls die Stadt sich nicht ergeben
sollte, brauchen wir jeden verfügbaren Mann. Ich verzichte nur sehr ungern auf
Euch und bitte Euch, noch diese letzte Schlacht mit mir zu schlagen. Entweder
wir ziehen friedlich ein und lassen uns feiern oder wir werden reiche
Kriegsbeute machen.“ Er lachte.
Es war unmöglich, dem Grafen diesen Wunsch abzuschlagen.
Außerdem kam es auf ein oder zwei Wochen nun wirklich nicht an. Hauptsache, wir
überquerten noch in diesem Sommer die Alpen.
„Wenn es Euer Wunsch ist“, sagte ich und verneigte mich kurz
vor meinem Vorgesetzten, obwohl ich nicht die geringste Lust verspürte, mich an
der Eroberung einer weiteren Stadt zu beteiligen. Vielleicht hatten wir Glück
und die Stadt ergab sich kampflos wie so viele andere vorher.
„Ich wusste, ich kann mich auf Euch verlassen“, freute sich
Graf Rainulf, stieß mit mir an und trank den Becher in einem Zug leer.
Ich tat es ihm nach und war froh über die positive Reaktion
des Grafen. Ich hatte ihn schätzen gelernt und wollte ihn nicht enttäuschen.
Wieder zurück in meinem Zelt überbrachte ich meinen Männern
die Nachricht, dass wir in spätestens zwei Wochen die Heimreise antreten
würden. Mit einem Krug Wein feierten wir die frohe Botschaft.
An diesem Abend schlief ich zufrieden ein. Ich konnte ja nicht
ahnen, was mich am nächsten Tag erwartete.
Im frühen Morgengrauen versammelte sich das kaiserliche Heer
vor den Toren der Stadt. Die Stadträte schickten einen Parlamentarier, um die
Bedingungen für eine kampflose Übergabe auszuhandeln. Wie immer in solchen
Fällen sicherte Friedrich allen Bürgern zu, sie unter seinen Schutz zu stellen
und allen zu vergeben, die sich während seiner Abwesenheit auf die Seite des
Papstes gestellt hatten. Als der Kaiser an der Spitze seines Heeres auf das
offene Tor zuritt, flog ein einzelner Pfeil von der Stadtmauer aus in seine
Richtung und landete direkt vor seinen Füßen. Alle hielten den Atem an. Niemand
wusste, ob es ein Versehen oder ein gezielter Angriff war.
Friedrich lief dunkelrot an und befahl zornig den sofortigen
Angriff.
Die Bürger kamen nicht einmal mehr dazu, das bereits
geöffnete
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