Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
war ihm noch
nicht klar, dass er verbluten würde. Nach einer Weile sackte er in sich
zusammen und regte sich nicht mehr.
Ängstlich sah das Mädchen zu dem jungen Ritter, der sich
noch immer verbissen gegen die beiden Angreifer zur Wehr setzte. Mit Schrecken
stellte sie fest, dass seine Bewegungen immer träger wurden. Er schien
Schmerzen in der Seite zu haben, die Hüftwunde machte ihm offenbar zu schaffen.
Auf seinem Hemd zeichnete sich langsam ein Blutfleck ab. War
die kaum verheilte Wunde wieder aufgebrochen oder war es eine neue Verletzung?
Conrad fing an zu keuchen und ließ immer öfter das Schwert
sinken, als hätte er kaum noch die Kraft, die Hiebe der beiden Halunken
abzuwehren. Diese frohlockten bereits. Auch sie nahmen sich jetzt etwas zurück,
als wollten sie das unvermeidliche Ende noch etwas auskosten.
Line fürchtete das Schlimmste, als der untersetzte,
muskelbepackte Kerl sich plötzlich mit erhobenem Schwert auf Conrad stürzte, um
ihm den Rest zu geben.
Aber dieser schien damit gerechnet zu haben. Mit
katzenartiger Geschmeidigkeit tauchte er unter dem Hieb hindurch, der ihn nur
knapp verfehlte. Der Hüne verlor dadurch fast das Gleichgewicht. Bevor er sich
wieder fangen konnte, rammte Conrad ihm das Schwert tief in die Seite. Ohne
einen Laut von sich zu geben, sackte der Getroffene zusammen und kippte zur
Seite.
Die Schrecksekunde seines Kumpans ausnutzend, setzte Conrad
einen waagerechten Hieb an und schlitzte ihm den Gambeson auf. Sein Gegner riss
die Augen auf und taumelte zurück, aber der mehrfach gesteppte Waffenrock hatte
eine ernsthafte Verletzung verhindert.
Blanke Wut verzerrte jetzt das Gesicht des Anführers, der
auf Conrad einhieb, als wolle er ihn in Stücke hacken. Aber Conrad war ein
erfahrener Kämpfer. Trotz seiner Verletzungen, die ihm wieder zu schaffen machten,
wehrte er gekonnt jede Attacke ab, dann ging er selbst zum Angriff über.
Nach einer schnellen Abfolge von Hieben gelang es ihm, dem
Gegner das Schwert aus der Hand zu hebeln. In weitem Bogen flog es durch die
Luft und landete im Gras. Doch bevor Conrad zum tödlichen Hieb kam, rannte der
Kerl wieselflink davon und verschwand kurz darauf im Unterholz.
Conrad konnte ihm nicht folgen. Er humpelte zu der Stelle,
wo das Schwert seines Gegners im Gras lag, sank erschöpft auf die Knie und
strich über das blanke Metall. Dann hob er es fast andächtig auf.
Line war wie betäubt. Es war vorbei. Sie konnte es noch gar
nicht fassen. Mit zitternden Beinen ging sie zu Conrad.
„Bist du verletzt?“, fragte er besorgt.
Sie schüttelte mit dem Kopf.
„Haben die Kerle…?“
„Nein“, fiel sie ihm ins Wort.
Unendliche Erleichterung spiegelte sich in Conrads Mine. Er
sah ihr so intensiv in die Augen, dass sie wieder dieses flaue Gefühl der
Hilflosigkeit befiel. Wie gern hätte sie sich jetzt einfach an seine Brust
gelehnt, aber sie wagte es nicht. Im nächsten Moment riss er sie an sich und
schlang seine Arme um sie.
„Ich hätte es mir nie verziehen, wenn dir etwas passiert
wäre“, sagte er leise, beinahe flüsternd.
Sie schmiegte sich an ihn und fühlte sich so geborgen wie
schon lange nicht mehr. So wie er das gesagt hatte, schien ihm tatsächlich
etwas an ihr zu liegen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Jetzt, wo die
Spannung von ihr abfiel, begann sie hemmungslos zu weinen. Line hätte jetzt
stark sein müssen, sie musste nach seinen Verletzungen sehen. Stattdessen
heulte sie wie ein kleines Kind, versteckte ihr Gesicht an seiner Brust und
nässte sein Hemd mit heißen Tränen. Aber obwohl sie sich dafür schämte und sich
selbst in Gedanken eine Heulsuse schalt, konnte sie nichts dagegen tun.
Conrad wusste nicht, was er machen sollte. Er fühlte sich
völlig hilflos angesichts ihrer Tränen. Also stand er einfach nur da und hielt
sie in seinen Armen.
Er war froh, gerade noch rechtzeitig aufgetaucht zu sein,
nachdem er ihre Schreie gehört hatte. Jetzt hatte er auch sein Schwert zurück.
Aber leider wusste er noch immer nicht, warum die Kerle ihm nach dem Leben
trachteten.
Er bedauerte, dass keiner von ihnen mehr am Leben war, den
er hätte befragen können. So konnte er nur hoffen, eines Tages den geflohenen
Kerl mit den Froschaugen zu erwischen.
Line hatte sich etwas beruhigt. Vorsichtig löste er seine
Umarmung, nahm sie bei den Schultern und schob sie ein kleines Stück von sich,
um ihr ins Gesicht zu sehen.
Sie sah zu ihm auf und ihm stockte der Atem. Trotz der
geröteten und
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