Das mysteriöse Pergament 01 - Begegnungen (German Edition)
der Bande machte sich nicht einmal die Mühe,
die Verschnürungen ihres Kleides zu öffnen, er schob es einfach hoch, grapschte
ihr unter das knielange Hemd und wälzte sich auf sie.
„Jetzt werde ich der kleinen Stute mal zeigen, was ein
richtiger Hengst ist“, grunzte er unter dem Gelächter seiner Kumpane, die sich
schon darum stritten, wer der nächste war.
Noch immer wehrte das Mädchen sich verzweifelt, es gelang
ihr, das rechte Bein anzuziehen. Sie wollte ihrem Peiniger das Knie in den
Unterleib rammen, aber es wurde nur ein kraftloser Stoß. Der Angreifer fluchte
zwar wütend, was seinen Kumpanen ein hämisches Gelächter entlockte, ließ sich
aber nicht weiter beeindrucken.
Line wusste, dass es in einem solchen Fall vernünftiger war,
sich seinem Schicksal zu ergeben und keine Gegenwehr zu leisten. Je mehr man
sich wehrte, desto mehr Verletzungen riskierte man. Trotzdem wehrte sie sich
wie eine Raubkatze.
„Heda“, schrie plötzlich Jemand mit vor Wut verzerrter
Stimme vom Waldrand her. „Wenn ihr den heutigen Tag überleben wollt, trollt
euch und lasst euch nie mehr hier blicken!“
Mit Entsetzen sah Line, dass dort Conrad stand, nur mit
einem Stecken und dem kleinen Kräutermesser in der Hand.
Gegen die vier gut bewaffneten Kerle hatte er keine Chance,
schien aber wild entschlossen zu sein, ihr zu Hilfe zu kommen.
Der Kerl auf ihr war zunächst erschrocken herumgefahren.
Zwei seiner Kumpane zogen ihre Schwerter. Als sie sich aber einem einzelnen
jungen Burschen in Bauernkleidung gegenüber sahen, lachten sie nur höhnisch.
Verzweifelt wollte Line ihm zurufen, er solle verschwinden,
um wenigstens sich zu retten, aber sie brachte keinen Ton heraus.
„Alle Achtung“, rief der Anführer höhnisch in Conrads
Richtung und ließ von Line ab. „Du hast Mut, Bürschchen. Willst du uns mit
deinem Stöckchen oder deinem albernen Zahnstocher erschrecken? Wir sind vier
gegen einen.“
Seine Kumpane quittierten seine Spottrede mit lautem
Gejohle. Ein dürrer Kerl in einem ehemals roten Hemd, dem bereits ein Ärmel
fehlte, zitterte demonstrativ, als hätte er panische Angst vor dem Burschen.
„Ganz genau“, erwiderte Conrad äußerlich völlig ruhig, „ihr
seid nur vier. Vier Ganoven, von denen zwei es kaum schaffen, mit einem
Mädchen fertig zu werden.“
Der Anführer lief vor Zorn rot an. „Wer bist du,
Bauerntrampel, das du es wagst, so mit uns zu sprechen?“
„Der letzte Mann, dem ihr lebend begegnet. Ich bin Conrad von
der Lühe!“ Bei diesen Worten streifte er die Gugel zurück, die seinen blonden
Haarschopf verdeckte.
Der Name elektrisierte die Bande. Erstaunt sah Line, wie der
Anführer blass geworden war. Auch der Hüne, der ihre Hände hielt, lockerte
jetzt seinen Griff und starrte in Conrads Richtung, als würde er einen Geist
sehen.
„Jaaa“, sagte der Glupschäugige gedehnt. „Jetzt erkenne ich
dich, obwohl du dir offenbar die Haare gestutzt hast und aussiehst wie ein
Bauerntrampel. Ich freue mich ehrlich, dich zu sehen, denn du bist der einzige
Grund, warum ich noch hier bin. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, als deine
Leiche plötzlich verschwunden war. Wochenlang haben wir dich gesucht. Aber
jetzt haben wir dich ja gefunden und werden dir endgültig den Garaus machen, du
Bastard.“
Line begriff, dass es dieselben Kerle sein mussten, die
Conrad hatten umbringen wollen und ihn schwer verletzt im Bach zurückgelassen
hatten.
„Aber er war doch tot“, krähte der Dürre mit hoher Stimme.
„Was, wenn das sein Geist ist?“ Ängstlich wich er einen Schritt zurück.
„Das werden wir gleich feststellen“, erwiderte der Anführer.
„Schlitz ihn auf.“
Auf seinen Wink hin stürzte sich einer der Banditen mit
erhobenem Schwert auf Conrad.
Mit schreckgeweiteten Augen sah Line, dass der dünne Stecken
vom ersten Schwerthieb halbiert wurde. Dem zweiten Hieb wich Conrad geschickt
aus, doch sofort folgte der Nächste. Wie eine Raubkatze bewegte sich Conrad um
seinen Angreifer herum, der von seinen Kumpanen angefeuert wurde und
siegessicher grinste. Der Wegelagerer deutete einen Seitwärtshieb an, aber es
war eine Finte, plötzlich sprang er vor und stach zu.
Mit weit aufgerissenen Augen hielt Line den Atem an. Die
folgenden Bewegungen waren so schnell, dass das Mädchen sie kaum verfolgen
konnte.
Im letzten Moment drehte Conrad sich zur Seite und der Stich
ging ins Leere. Dann packte der junge Ritter den Angreifer mit der rechten Hand
am Handgelenk, mit der Linken am
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