Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
befindest dich im besten Badehaus unserer
schönen Stadt. Hier verkehren nur gut zahlende Gäste, die bei uns Entspannung
von ihren Geschäften und Pflichten suchen.“
Besonders, was die ehelichen Pflichten angeht , dachte
er, natürlich ohne es auszusprechen. Das Mädchen erfuhr noch früh genug, was
hier von ihr erwartet wurde – falls sie bleiben würde. Aber wo sollte sie wohl
sonst hin? Allerdings würde er sie zu nichts zwingen. Nichts hasste er mehr als
Bedienstete, die ihre Arbeit unwillig taten, denn das schadete dem Geschäft.
Er hatte seine Prinzipien. Schließlich war er ein Edelmann
und kein Hurenwirt. Er hatte es auch gar nicht nötig, jemanden zu zwingen. Die
hübschesten Dirnen der Stadt rissen sich darum, bei ihm arbeiten zu dürfen,
denn das Leben bei ihm war weitaus angenehmer als in den billigen Hurenhäusern.
Seine Damen - wie er sie gern nannte – hatten schöne
Kleider, gutes Essen und eine vergleichsweise leichte Arbeit.
Dabei stand das Wohl seiner Mädchen für ihn immer an erster
Stelle und ging ihm selbst über manche perversen Wünsche seiner Kunden. Er
duldete weder Schläge noch sexuelle Gewalt gegen seine Dirnen, es sei denn im
gegenseitigen Einvernehmen.
In den Etablissements waren sogar derartige Seilzüge
angebracht, mit deren Hilfe Herren üblicherweise nach ihren Dienern läuteten.
So konnten die Dirnen sich im Notfall bemerkbar machen, ohne laut schreien zu
müssen.
Wenn ein Freier über die Stränge schlug, wurde er ungeachtet
seiner Person zur Kasse gebeten und von dem schwarzen Hünen Hassan unsanft vor
die Tür gesetzt. Selbst einem der hochnäsigen Ratsherren hatte er einmal
vorübergehend Hausverbot erteilt.
Dies und die Tatsache, dass sie am Gewinn beteiligt wurden,
wussten seine Damen sehr zu schätzen. Hier konnten sie hoffen, etwas für
sich ansparen zu können, um sich eines Tages eine bescheidene Existenz
aufzubauen. Was er dafür von den Venusdienerinnen verlangte, war äußerste
Diskretion und Loyalität.
Außerdem sorgte Godefroy für regelmäßige ärztliche
Untersuchungen. Sauberkeit und Gesundheit waren sehr wichtige Kriterien für
sein Haus, was seine Kunden sehr zu schätzen wussten und wofür sie gern bereit
waren, etwas tiefer in die Taschen zu greifen.
So stand sein Badehaus in einem ausgezeichneten Ruf und
erfreute sich großer Beliebtheit bei den Honoratioren der Stadt Wetzlar, den
reichen Kaufleuten und hochrangigen Besuchern der Stadt. Zu seinen Kunden gehörten
nicht selten hohe Adlige und sogar kirchliche Würdenträger, die sein Haus
natürlich inkognito aufsuchten. Sein exquisiter Kundenstamm ermöglichte ihm ein
angenehmes, bequemes Leben und ein hohes Ansehen in der Stadt, wozu natürlich
auch sein Adelstitel beitrug.
„Dann seid Ihr ein Bader?“, fragte das gerettete Mädchen.
„Nein“, Godefroy musste lachen. „Ich bin nur der Besitzer
dieses Hauses, aber ich habe einen Bader, der für mich arbeitet. Andernfalls ließe
der Stadtrat die Betreibung eines Badehauses gar nicht zu. Schließlich sind die
Räte sehr um die Gesundheit unserer Kunden besorgt – gehören sie doch auch
selbst dazu“, er lächelte wieder.
Das Mädchen versuchte auch ein zaghaftes Lächeln, aber es
war nur aufgesetzt, sie blieb skeptisch.
Der Badehausbesitzer musterte sie jetzt genauer. Er hatte
sich nicht getäuscht. Er konnte sich rühmen, einige wirkliche Schönheiten zu
beschäftigen, aber dieses Mädchen mit den unglaublichen Augen war etwas ganz
Besonderes. Sie war ein Diamant, der allerdings noch geschliffen werden musste.
„Unser Bader ist sehr geschickt“, sprach er redselig weiter.
„Er kann neben Aderlässen auch kleine chirurgische Eingriffe vornehmen und
Zähne ziehen – wenn es sein muss. Auch meine anderen Bediensteten, insbesondere
die Bademädchen, verstehen ihr Handwerk vorzüglich.“
Dabei verschwieg er vorerst, worum genau es sich bei diesem
Handwerk handelte.
Line schöpfte Hoffnung. Sie wusste zwar weder, wo sie war
noch warum ihr dieser fremde Mann geholfen hatte, den Bütteln zu entkommen.
Aber sie spürte, dass er ihr nichts Böses wollte. Trotzdem machte sie
irgendetwas misstrauisch, was sie allerdings nicht benennen konnte.
Die ganze Situation war unwirklich, so als wäre es nur ein
böser Traum, aus dem sie hoffentlich bald erwachte. Aber leider war es kein
Traum, das wusste sie. Sie hatte einen Menschen getötet. Wieder einmal hatte
sich ihr Leben von einem zum anderen Moment völlig geändert.
Ängstlich sah sie
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