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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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ihr euren Spaß mit mir haben wollt, kann ich
euch nicht daran hindern.“
    Veit streckte eine Hand aus, als wolle er die geröteten
Stellen berühren, zog sie aber angewidert wieder zurück.
    „Aber es wird das letzte Mal sein, dass ihr eure
Männlichkeit beweisen könnt“, sprach Line weiter und bemühte sich, möglichst
teilnahmslos zu klingen. Dabei sah sie den älteren Henkersknecht herausfordernd
an.
    „Wie meinst’n das?“, fragte dieser unsicher. Er sah sich
nach Veit um, der plötzlich unschlüssig schien.
    „Ich bin eine Heilerin“, sagte Line stolz und richtete sich
gerade auf. „Deshalb kenne ich diese Krankheit und ihre Symptome genau.“
    Als gäbe sie eine Lehrstunde, fuhr sie unbeirrt fort. „Die
lues inflammatio ist hoch ansteckend. Es dauert nur zwei bis drei Tage, bis der
Ausschlag ausbricht. Zunächst zeigen sich nur juckende Rötungen der Haut. Dann
werden die Genitalien befallen. Nach weiteren vier Wochen wird euer bestes Stück
schrumpfen und nur noch zum Wasserlassen taugen. Dann kommt das Fieber. Und
dann…“
    „Sie lügt!“, rief der Neffe des Henkers dazwischen.
    Der ältere Henkersknecht hatte ihren Rock losgelassen und
war entsetzt einen Schritt zurückgewichen.
    „Es ist eine Ironie des Schicksals“, fuhr Line unbeirrt
fort, während sie innerlich zitterte. „Da ich sowieso hingerichtet werde,
bleibt es mir erspart, langsam an dieser tückischen Krankheit zu sterben.“
    Nach einer kurzen Pause setzte sie zynisch hinzu. „Es wäre
mir allerdings eine große Genugtuung, euch beide vorher anzustecken.“
    „Halt dein verdammtes Schandmaul!“, brüllte der Neffe des
Henkers sie an.
    „Und wenn se die Wahrheit sacht?“, gab der Ältere zu
Bedenken, „Ich wills nich drauf ankommen lassen. Aber wenn du Lust hast, bitte
schön. Ich halt se fest, falls se zappelt.“
    „Dazu brauche ich deine Hilfe nicht.“ Veit ging auf Line zu
und drückte sie gegen die Wand. Line sah ihm direkt in die Augen. Ihre Blicke
sprühten Funken wie glühende Kohlen.
    Veit atmete tief ein. Dann ließ er plötzlich von ihr ab.
    „Du hattest Recht“, sagte er an seinen Komplizen gewandt,
„Die ist viel zu mager. Außerdem stinkt sie wie meine Ziege.“
    Der Ältere lachte auf und Veit fiel mit ein. Beinahe
fluchtartig verließen die Kerle die Zelle, wobei sie noch immer künstlich
lachten.
    Als Line den Riegel hörte, atmete sie erleichtert auf und
schloss die Augen. Ihre List war gelungen. Zunächst war sie vor diesen Kerlen
sicher. Sie sank an der Wand herunter in den Schneidersitz, barg das Gesicht in
den Händen und schluchzte hemmungslos.
    Irgendwann schlief sie erschöpft ein.
    Am nächsten Tag bekam sie Besuch vom Henker. Er war etwas
größer und noch breiter als sein Neffe Veit, sah ihm aber sehr ähnlich. Seinem
Stand entsprechend trug er auffällige Kleidung, die grün und rot gefärbt war. 
    Auf alles gefasst erwartete Line ihn.
    Mit finsterer Miene trat der gefürchtete Scharfrichter auf
sie zu.
    „Zeig es mir“, befahl er und deutete auf ihren Unterleib.
    Line schluckte. Sein Neffe musste ihm von dem Ausschlag
erzählt haben.
    Sie wusste, dass der Henker nicht nur für das Foltern und
Töten zuständig war. Auch das Richten von Brüchen und die Versorgung von
Brandwunden, Quetschungen und anderen bei der Folter zugefügten Verletzungen
gehörten zu seinem Aufgabenbereich. Schließlich trug er die Verantwortung
dafür, dass die Verurteilten nicht vor der Urteilsvollstreckung zu Tode kamen.
Deshalb besaß ein Henker auch Grundkenntnisse in der Heilkunde. Ihn konnte sie
sicher nicht so leicht täuschen wie die ungebildeten Henkersknechte.
    Line sank das Herz, als sie langsam den Rock hochschob. Wenn
der Henker auch nur ein wenig von Krankheiten verstand, durchschaute er sie
sofort.
    Kritisch musterte der Scharfrichter die wunden Stellen, aber
seine Miene verriet nur sachliches Interesse, keinerlei sexuelle Gier. Trotzdem
begann Line unter seinem Blick förmlich zu schrumpfen. 
    „Es ist nur die Krätze“, stellte er schließlich sachlich fest.
„Das ist nicht ungewöhnlich hier, aber auch nicht lebensgefährlich. Ich werde
dir eine Salbe mixen.“ Er zog ihren Rock wieder herunter und verließ die Zelle.
    Line musste im Stillen zugeben, dass ihr provozierter
Hautausschlag tatsächlich der Scabies, volkstümlich auch Krätze genannt,
ähnelte.
    Die nächste Zeit verbrachte sie in banger Erwartung, die
Henkersknechte könnten zurückkehren und sich an ihr rächen. Dieses Mal

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