Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
Vom Netzwerk:
kleinen Mann gesprochen, den sie
getroffen hätten?
    Keinen Augenblick zweifelte er an den Worten dieser Kreatur.
Er hatte es mit einem Dämon zu tun. Das war die einzige Erklärung für sein
merkwürdiges Aussehen, seine Sprechweise und seine ebenso unkonventionelle wie
wirkungsvolle Kampftechnik.
    Aber er war Melchior Rabe, der gefürchtete Scharfrichter. So
leicht ließ er sich nicht übertölpeln.
    Da er mit roher Kraft nicht viel ausrichten konnte,
überlegte er seinen nächsten Angriff genau. Er deutete eine Finte mit dem
Messer an, dem sein kleiner Gegner wie erwartet nach links auswich. Endlich bekam
er ihn mit der linken Hand am Kragen zu packen.
    Jetzt war Melchior dank seiner Körperkraft weit überlegen.
Er hob den kleinen Mann an wie eine Spielzeugpuppe und warf ihn zu Boden, um
ihm mit grimmiger Genugtuung das Messer an die Kehle zu setzen.
    „Jetzt wirst du mir ganz genau sagen, was ich wissen will
oder du wirst wünschen, niemals geboren zu sein“, zischte er grimmig, während
sein schwerer Körper das zierliche Männchen auf den Boden drückte. „Ich habe
noch Jeden zum Reden gebracht, das ist mein Beruf und ich bin sehr gut darin.“
     

XV
Die Hinrichtung
    Hartungmond Anno 1230    
                                                                                                                        
    Kalter Nebel zog über das Land, als sich in aller Frühe die
Menschen vor der Stadt versammelten, um dem Schauspiel der heutigen Hinrichtung
beizuwohnen.
    Wie der Richter vorausgesehen hatte, versprach die
Hinrichtung allerdings kein großes Spektakel zu werden, wie es bei Vierteilen,
Rädern, Verbrennen, Enthaupten oder Hängen der Fall war. Das Ersticken in einer
Grube lockte nur wenige Schaulustige vor die Stadttore, auch wegen der frühen
Stunde und des nasskalten Wetters.
    Als am frühen Morgen der Henker zusammen mit einem Priester
auftauchte, wusste Line, dass es soweit war. Aber es erschreckte sie nicht, sie
war seit Tagen in eine Lethargie verfallen, die ihr das Leben im Kerker
leichter machte.
    Den Priester sah sie kaum an. Sie hätte hinterher nicht
einmal sagen können, ob er jung oder alt gewesen war.
    Das Mädchen hatte bereits ihren Frieden mit Gott gemacht und
die Jungfrau Maria gebeten, auf ihren Geliebten acht zu geben.
    Es gab nicht viel, was sie zu beichten hatte. Wenn sie auf
ihr junges Leben zurücksah, konnte sie es in drei Abschnitte aufteilen.
    Da war zunächst ihre Kindheit im Kloster, wo sie viel
gelernt hatte, aber nie richtig glücklich war. Dann kamen die Jahre mit Grete,
ihrer großmütterlichen Freundin. Während dieser Zeit hatte sie das Gefühl
kennen gelernt, gebraucht zu werden und die Menschen hatten ihr oft trotz ihrer
Jugend Respekt entgegen gebracht. Und dann trat plötzlich Conrad in ihr Leben,
ihre große Liebe. Sie hatte ihn verlassen, um ihm nicht im Wege zu stehen. Was würde
sie darum geben, ihn noch ein letztes Mal sehen zu können. Sie beichtete nicht,
dass sie mit ihm geschlafen hatte. Das war keine Sünde gewesen und ging
Niemanden etwas an, auch nicht den Priester.
    Bevor der Henker sie aus der Zelle führte, gab er ihr einen
Becher mit verdünntem Wein. „Trink das“, sagte er. „Es ist ein
Beruhigungsmittel. Dann wird es schneller gehen.“
    Gehorsam trank Line den Becher aus.
    Die sensationslüsternen Zuschauer auf dem Richtplatz vor der
Stadt hätten es gern gesehen, wenn die Verurteilte geschrien und sich
verzweifelt gewehrt hätte. Aber sie wurden enttäuscht. Das junge Mädchen ließ sich
von den Henkersknechten widerstandslos vom Schinderkarren zerren und an den
Rand der bereits ausgehobenen Grube stellen. Sie wirkte so abwesend, als würde
sie gar nicht begreifen, was mit ihr geschah.
    Line hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen. Ihre Zukunft
hätte ohnehin nicht rosig ausgesehen, allein als junge Frau in einer
männerdominierten Welt, ohne dass sie jemals ihren Geliebten wieder sehen würde.
Wenn sie an Conrad dachte, war sie dem Schicksal dankbar für die Liebe, die sie
in ihrem jungen Leben hatte kennen lernen dürfen. Es gab nicht wenige Menschen,
die alt wurden, ohne dieses wunderbare Gefühl jemals zu erleben.
    Natürlich gab es auch Ausnahmen, aber die meisten Frauen
konnten schon froh sein, wenn sie von ihren Ehemännern nicht geschlagen oder
gedemütigt, sondern wenigstens respektiert wurden.  
    Line sah

Weitere Kostenlose Bücher