Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
Conrad und grinste.
Sven hob die Schultern, als wollte er sich dafür
entschuldigen.
„Wie findest du sie?“, fragte er plötzlich. Das Urteil
seines Freundes schien ihm wichtig zu sein.
„Beatrice? Sie ist eine Frau, von der Männer träumen“,
erwiderte Conrad, „gut gebaut, fleißig, jung und stark. Sie ist genau die Frau,
die ich einem guten Freund wünschte.“
Sven strahlte wie ein Schuljunge, der von seinem Lehrer
gelobt worden war.
„Nicht wahr, sie ist ein Golds-tück. Und ihr kleiner Sohn
Wibald, den muss man einfach mögen.“
„Ich wünsche dir alles Glück der Welt, du hast es verdient,
mein Freund, auch wenn ich dich vermissen werde.“
„Ich werde dich auch vermissen“, sagte Sven ernst. „Wenn du
mich brauchen solltest, werde ich da sein.“
„Das gilt für mich ebenso.“
Als sie wieder in der Mühle waren, fragte Conrad Li Chan,
was dieser jetzt vorhabe.
Der kleine Chinese sah ihn erstaunt an und zuckte mit den
Schultern. Offenbar hatte er sich gar keine Gedanken über seine Zukunft
gemacht.
„Wenn ich mich nicht irre, du brauchst neuen Knappen. Ein
Ritter ohne Knappe ist wie Suppe ohne Salz. Sie mag sein kräftig, aber es fehlt
etwas.“
Jetzt war es an Conrad, erstaunt zu sein. „Du willst mein
Knappe sein?“
„Was spricht dagegen?“, fragte Li Chan treuherzig. „Na gut,
eigentlich brauchst du nicht Schildknappen, weil du nicht hast Schild. Aber
irgendjemand muss ja auf dich aufpassen.“
„Es wäre mir eine große Ehre, wenn du auf mich aufpassen würdest,
mein Freund. Aber als gleichwertiger Kämpe, nicht als mein Knappe. Würdest du
mich in meine Heimat begleiten?“
Wieder zuckte der Chinese mit den Schultern. „Ich nichts
Besseres habe vor.“
Dann wurde er plötzlich ernst. „Die letzten Jahre ich war
immer auf Flucht. Ich habe keine Heimat. Es wird Zeit, ich komme irgendwo an,
wo ich kann bleiben und wo ich finde Frieden.“
„Den wirst du bei mir haben“, sagte Conrad ebenso ernst.
„Ich war lange fort und wäre froh, einen verlässlichen Freund an meiner Seite
zu haben.“ Er legte seinem kleinen Freund eine Hand auf die Schulter.
„Nun, dann brauche ich mir ja keine Sorgen um dich zu
machen“, bemerkte Sven etwas belustigt. Er konnte sich noch immer nicht recht
vorstellen, dass der Chinese im Ernstfall eine echte Hilfe wäre.
*
Als Conrad am nächsten Morgen vor die Tür trat, sah er Sven
auf der Holzbank vor der Mühle sitzen und wie gebannt in eine Richtung starren.
Er folgte seinem Blick und stellte belustigt fest, dass er Li Chan beobachtete,
der seine allmorgendlichen Übungen machte.
Conrad hatte sich inzwischen an diesen befremdlichen Anblick
gewöhnt und bewunderte den Chinesen dafür, wie er sich bewegen konnte. Die
zunächst langsamen, fließenden Bewegungen wurden zum Schluss so schnell, dass
die Augen ihnen kaum folgen konnten. Dennoch waren die Bewegungsabläufe niemals
unkontrolliert, sondern folgten ganz bestimmten, wiederkehrenden Mustern.
Einmal hatte Conrad sogar heimlich probiert, die Bewegungen
nachzumachen, war aber kläglich gescheitert. Vor allem wollte ihm nicht
gelingen, seine Beine so hoch zu heben, dass sie über seinen Kopf hinausragten
und dabei noch hoch zu springen und sich um die eigene Achse zu drehen.
„Was zum Teufel treibt der da?“ Sven schüttelte langsam den
Kopf, halb befremdet, halb bewundernd.
„Körperertüchtigung“, sagte Conrad, als wäre das
selbstverständlich, „das macht er jeden Morgen, manchmal sogar mehrmals am Tag.
Gestern hast du es verpasst, weil du um diese Zeit noch geschlafen hast.“
„Was allerdings eine vernünftigere Bes-häftigung ist, wie
mir s-heinen will“, meinte Sven.
„Versuch es mal nachzumachen, bevor du darüber lästerst.“
„Bist du verrückt? Wer soll denn danach meine verknoteten
Arme und Beine entwirren?“
Beide Ritter lachten.
„Nein, das ist nichts für mich“, sagte Sven, während sie
weiterhin Li Chan beobachteten, dessen Bewegungen jetzt immer schneller wurden.
„Aber vielleicht sollten wir unserem Kleinen mal zeigen, wie
Ritter zu kämpfen pflegen? Was hältst du von einem kleinen Waffengang?“
„Einverstanden“, entgegnete Conrad, „ich bin schon ganz
eingerostet.“
Beide Ritter holten ihre Langschwerter und stellten sich
gegenüber auf.
Sie kämpften nicht zum ersten Mal gegeneinander und wussten
daher genau, wie der Freund auf bestimmte Hiebe und Finten reagierte. Deshalb
konnten sie es wagen, mit
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