Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)
achteten, wurden
immer lauter und ungehemmter. Ihre Scherze wurden deftiger und so manch
anzügliches Wortgefecht entstand.
Nach einiger Zeit verabschiedete sich die Burgherrin Agnes
und gab damit das Zeichen für die Damen, sich zurückzuziehen. Zusammen mit
Constance, Line und anderen Damen verließ sie das Fest, welches wie zu erwarten,
langsam zu einem Saufgelage ausartete.
Jetzt, wo man keine Rücksicht mehr auf die Damen nehmen
musste, wurde die Stimmung der Ritter noch ausgelassener und ihre Sprache
zunehmend vulgärer. Höfische Manieren waren vergessen und bald herrschte eine
Atmosphäre wie in einer Dorfschenke.
Auch der Burgherr beteiligte sich an der angeregten
Unterhaltung und steuerte selbst einige Geschichten bei, die nicht für die
Ohren feiner Damen bestimmt waren. Dabei gab er auch gemeinsame Erlebnisse mit
Conrads Vater, seinem Freund und Kampfgefährten, zum Besten.
Auch Sven war jetzt in seinem Element und erzählte von Akkon
und Jerusalem. Die Wenigsten der Anwesenden waren im Heiligen Land gewesen und
hingen beinahe ehrfurchtsvoll an seinen Lippen.
Conrad hielt sich lieber zurück, denn über die Zeit in
Outremer gab es seiner Meinung nach nicht viele Heldentaten zu berichten.
Sein Freund schilderte denn auch weniger Kampfhandlungen als
vielmehr die amourösen Abenteuer mit den glutäugigen dunkelhäutigen
Schönheiten, denen sie dort begegnet waren. Sven war trotz seines kleinen
Sprachfehlers ein guter Erzähler, staunend hörten die Ritter und Waffenknechte
ihm zu.
Schon bald kam er zu seinem Lieblingsthema, den Harems der
Sultane und Scheiche.
„Wer es sich leisten kann“, berichtete Sven den staunenden
Männern, „hat in seinem Haus einen abgegrenzten, s-treng bewachten Wohnbereich,
der Harem genannt wird und in dem er sich eine ganze Reihe von wunders-hönen
Frauen hält. Die Frauen dienen auss-hließlich seiner Zers-treuung.“
„Zerstreuung?“, rief ein Ritter in mittleren Jahren. „Nennt
man das dort so?“, er machte eindeutige Bewegungen mit seinem Becken und seine
Trinkgesellen lachten.
„Sie lernen tanzen, musizieren und Verse aufsagen, aber vor allem
lernen sie die hohe Kunst der Liebe. Es ist ihre Aufgabe, ihrem Herrn jeden
Wuns-h von den Augen abzulesen und ihn in jeder Beziehung glücklich zu machen.
Die Aufsicht über den Harem hat in der Regel die Mutter des Hausherrn. Zutritt
haben außer dem Hausherren nur die Haremswächter, die Eunuchen.“
„Dort würde ich gern zu den Wächtern gehören“, meinte ein
junger Ritter und erntete zustimmendes Gelächter.
„Wohl kaum“, warf Conrad ein, „Eunuchen werden bereits im
Kindesalter entmannt, um sie keinen Versuchungen auszusetzen.“
Ein Raunen ging durch den Saal. Für diesen Preis wollte
sicher keiner freiwillig Haremswächter werden.
In die entstandene Stille hinein sagte einer der Ritter
plötzlich todernst: „Was mich allerdings stören würde ist die Anzahl der
Schwiegermütter.“
Wieder lachten alle.
Als Conrad erwähnte, dass selbst der Kaiser Friedrich
mehrere Nebenfrauen besaß, wollten es seine Zuhörer kaum glauben.
„Die Sarazenen müssen einen ganz schönen Frauenüberschuss
haben, wenn sie sich alle mehrere halten“, bemerkte der junge Ritter von
Kransberg, der erst im vergangenen Jahr seine Schwertleite erhalten hatte.
„Ja, dafür haben die Kreuzritter im Heiligen Land gesorgt“,
entgegnete Sven und erntete beifälliges Gelächter.
„Ich hoffe, es sind noch genügend übrig für den nächsten
Kreuzzug ins Heilige Land“, rief der junge Kransberger übermütig.
Unwillkürlich musste Conrad daran denken, wie enthusiastisch
er selbst damals aufgebrochen war, gierig darauf, Ruhm und Ehre zu erringen und
wie desillusioniert er zurückkam. Die Geschichte wiederholte sich immer wieder.
„Da werdet Ihr eine Weile warten müssen“, entgegnete er,
„die Stadt Jerusalem ist den christlichen Pilgern nicht mehr verschlossen,
junger Freund. Unser Kaiser hat einen zehnjährigen Frieden ausgehandelt.“
„Einen unrühmlichen Frieden“, bemerkte der Kransberger, „wir
hätten die Ungläubigen ein für alle Mal aus Jerusalem vertreiben sollen. Das
hat auch Papst Gregor gefordert.“
„Der Patriarch von Jerusalem ebenfalls“, räumte Conrad ein,
„aber manchmal ist es besser, einen Krieg durch Diplomatie statt durch das
Schwert zu entscheiden.“
„Besonders dann, wenn man dem Gegner zahlenmäßig weit
unterlegen ist“, ergänzte Sven.
„Und das sagt einer, der es gewiss mit
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