Das Mysterium Des Himmels
der Tür stand und zu ihm sah. Immer dann musste er daran denken, dass es für Seher keine Verbindung zu einem Menschen geben durfte, denn er hatte sich den Göttern geweiht. Aber er konnte sie nicht ignorieren.
Dann kam der Tag, an dem der Nebel über dem Fluss lag und die Welt unsichtbar machte. Ekuos sah auf die vereisten Wiesen und die schneebedeckten Berge. Ihm fehlten die fröhlichen Farben des Frühlings. Er sah die Schatten der Götter auf den Bergspitzen. Sie berieten sich und lachten nicht.
An einem Morgen hörte er die Weisen reden, aber sein Schweigen hatte ihm die Zunge gelähmt. Er brachte kein Wort mehr heraus. Er wusste, nun wird diese Stadt bald hinter ihm liegen. Die gedämpften Stimmen der Weisen verrieten, dass es schlimmen Hunger im Ort gab. Mit jedem seiner Atemzüge entfernte er sich. Er schaute zum Himmel hinauf und spürte, wie sich das Sein veränderte. Ekuos hatte keine Angst. Die Menschen hungerten und fürchteten sich vor dem Tod. Warum vertrauten sie nicht auf das Leben danach, die Herrlichkeiten in der Anderswelt? Was war an diesem Leben hier so herrlich? Bestand es nicht zumeist aus Elend und Tod? Sie verrieten ihren Glauben und flehten nur zu den Göttern, wenn sie etwas haben wollten. Sie waren traurig, wenn jemand starb. Mussten sie nicht Freude zeigen, wenn einer die Reise in die Anderswelt antrat, um einmal wieder von dort in das Leben zurückzukehren?
Der Nebel blieb über dem Fluss. Von oben hatte die Erde keine Mauern. Er kehrte in seinen stillen Winkel zurück und versuchte, das wenige Licht zu trinken. Es war gut. Der Winter würde bald sterben und er würde sich wieder auf die Reise machen. Und dann wird der Tag kommen, da die Götter genug von Menschen haben werden. Aber diese Gedanken brachten ihm keinen Kummer. Er hatte den Willen der Götter nicht verstanden, aber das war eben die Erkenntnis. Im Leben ging es nicht darum, zu verstehen. Es genügte, zu erwachen und seinen Weg zu finden. In seinen Ohren begann ein Brausen. Wie würde sie sein, diese Welt, wenn die Götter nicht mehr atmeten? Nachdenklich trat er hinaus und schaute auf eine prächtige Sonne. Das goldene Kind war aus der Wiege an den Himmel gestiegen. Nun reichte das Gebirge wieder nahe an sie heran. Es war der Geruch, der ihn fesselte. Von der Erde stieg der Duft bis hinauf zu den Göttern. Amanda stand vor dem Haus und Ekuos hob die Arme zum Himmel. Er sah sie und es ging ihm gut. Er schaute in den Himmel und es ging ihm noch besser. Wie lange hatte er schon nicht mehr gelächelt?
Bevor die Tage der Reinigung und die Nächte der inneren Einkehr begannen, fing Ekuos zu hungern an. Entweder man erwachte danach gereinigt oder man war tot. Er hockte in seinem dunklen Raum in einer Ecke und lauschte. Irgendwo war er gewesen, zwischen der Erde und dem anderen Leben? Einen Tag oder eine Nacht, bisweilen wie abwesend, dann wieder war er nie fort. Manchmal war ihm, als sähe er etwas, das bald kommen würde, eine endlose Bläue, gefrorenes Eis an den Wolken, aufbrausende Winde und erdwarme Stille. In seiner dunklen Höhle beunruhigte ihn nichts. Die Ankunft der Geister zur Nacht, die schwarze Gegend, blaugraue Vögel und dahinter ein einsames Licht. Er träumte von den Furchen in der Erde und den keimenden Pflanzen. Als sich die Sonne in den Regenpfützen spiegelte, erwachte er. Kaum spürte er die kalte Eisluft am Morgen im Gesicht und an seinen Händen, da griffen sie nach ihm und trugen ihn hinaus. War er wieder zum Kind geworden, das man auf Armen tragen konnte? Ekuos versuchte, zu riechen und etwas zu sagen, aber das gelang ihm nicht. Deshalb hielt er die Augen geschlossen und schwieg. Erst als die wärmenden Steine von seinem Lager zu Boden fielen, erwachte er und öffnete die Augen wieder. Er schaute in ein Feuer. Über ihn beugte sich Amanda und tröpfelte Wasser in seinen Mund. Er hatte den Wind, der heftig rauschte, in seinen Ohren. Sie hatte ihn vom Berg geholt. Mühsam begann Ekuos, sich wieder zu bewegen. Die Frauen hockten an der anderen Seite der Wand und beobachteten ihn. Die Weisen vom Berge hatten gesagt, Ekuos wäre auf die Reise in die Anderswelt gegangen und die Götter hätten ihm den Zugang verwehrt. Nur deshalb musste er weiterleben. Sie fragten sich, warum er nicht sprechen konnte. Ekuos hatte keine Erinnerung. Er wusste nicht einmal, dass er nichts mehr gegessen hatte.
Matu brachte einen Beutel mit Esswaren und gute Wünsche von Irscha, aber das Essen bekam Ekuos nicht. Er wollte in
Weitere Kostenlose Bücher