Das Mysterium Des Himmels
zurückkehren.
Erinnerungen passieren nicht einfach. Die Götter erwarten, dass daraus Handeln entsteht. Ekuos entschied sich dafür, seine weiteren Wege von der Großen Mutter bestimmen zu lassen, deren Altar auf einer Insel im See des Bedaius stand. Sie würde ihm sagen, was mit Atles und den Freunden geschehen war. Über den See wollte Ekuos nicht wieder, also mussten er und Matu am Ufer entlangreiten. Sie verließen den Wald und gelangten schnell auf die Ebene. Ekuos schaute von der Anhöhe aus über den See, der friedlich und strahlend blau vor ihnen lag. Der Ritt brauchte einen Tag und so erreichten sie das Ufer gegenüber der Insel, auf dem sich der Tempel der Großen Mutter befand, so spät, dass die Dunkelheit kein Übersetzen mehr erlaubte. Die Fischer des Dorfes am Ufer durften die Insel nicht betreten, also musste Kontakt mit den Bewohnern der Insel aufgenommen werden. Deshalb mussten sie die Nacht über warten. Während Matu Unterschlupf in einer Hütte fand, blieb Ekuos direkt am Wasser sitzen. Er betrachtete die leichten Wellen und das Licht der Mondgöttin, wie es auf dem Wasser lag und leuchtete. Durfte er denn die Große Mutter befragen, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die anderen Götter deshalb zürnten? Aber was sollte er tun? Eine Antwort über den Verbleib des Bruders benötigte er, sonst konnte er ihn unmöglich finden. Ekuos brauchte ein beeindruckendes Opfer, um die Götterwelt milde zu stimmen. Er nahm einige Kiesel in die Hand und betrachtete sie. Keiner war dem anderen gleich. Die Wellen liefen ans Ufer, zogen sich wieder zurück, die nächsten waren andere als die vorherigen. Nichts blieb, wie es war. Nur der Kreis des Lebens gibt den Menschen eine Antwort. Er beginnt mit der Geburt und schließt sich mit dem Tod. Mehr wissen die Menschen nicht. Alles andere liegt nicht in ihren Händen. Daher ist es weise, den Geboten der Natur zu folgen und dem Lauf des Jahres. Ekuos legte mit den Kieseln einen Kreis und schaute hinauf zum silbernen Mond. Die Mondgöttin gab ihm Licht und er spiegelte seine Augen im Wasser. Man sieht, was man denkt, wenn man den Göttern vertraut. Oder die Götter geben einen Hinweis. Ekuos erkannte das Gesicht von Atles im Wasser. Das gewaltige Opfer waren die Feinde, die Atles und die Freunde aus dem Heimatdorf verschleppt hatten. Ihr Tod würde die Götter gnädig stimmen.
Die Dunkelheit wollte und wollte nicht vergehen. Ekuos wurde unruhig. Sollte diese Nacht nie enden? Endlich zeigte sich ein heller Schimmer ganz weit in der Ferne. Wenn die Große Göttin ein Auge öffnet, begann die Morgendämmerung. Sie blieb ein Geheimnis, weil niemand sie erklären konnte. Ekuos schloss seine Lider und es war wieder dunkel. Als er sie nach einiger Zeit öffnete, da war das Licht bereits über den Bergen weit hinter dem See. Der Anblick der Berge berührte ihn zutiefst. Wie herrlich es war, wenn die Natur erwachte und das Land sich so prächtig zeigte. Die große Göttin hatte ihm auch an diesem Tag die Natur enthüllt und ihn damit gemahnt, sie als etwas Besonderes zu begreifen und sie vor den Frevlern zu beschützen. Mit dem erwachten Licht leuchtete auch der See. In der Ferne erkannte Ekuos die Boote der Fischer, die ihrem Tagwerk nachgingen. Er erinnerte sich an die Mahnungen des weisen Mannes während der langen Reise. Er musste die Einsamkeit noch tiefer erkennen und leben. Nur in ihr wuchs er zum wahren Menschen heran. Noch musste er die Ruhe und die Konzentration vervollkommnen. Vielleicht brauchte er bis zur Meisterschaft sein ganzes Leben. Die Stille war das Gegenteil von dem, was die Menschen leben wollten. Sie gierten nach Abwechslung, suchten sich ständig Gründe, um laut zu sein und sehnten jeden Feiertag herbei, um sich zu zerstreuen. Sie fürchten sich vor tieferen Gedanken, hatte der weise Mann gesagt, sie setzen Stille mit dem Tod gleich.
Ekuos schaute auf die leichte Bewegung des Wassers und erkannte im Lichtspiegel erneut das Gesicht von Atles. Es sah leidend aus, die Haut war grau und die Augen hatten ihren jungenhaften Glanz verloren. Die Bruderpflicht stand nicht über der des Weges zur Weisheit, aber für Ekuos gab es da einen Zusammenhang. Die Feinde durften nicht siegen, denn sonst würde das Leben der Menschen hier zu Ende sein.
Von der Insel der Großen Mutter legte ein Kahn ab und steuerte auf ihn zu. Ekuos rührte sich nicht und wartete ab. Zwei Frauen stachen mit langen Stangen in das Wasser und bewegten so den Kahn in Richtung
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