Das Mysterium Des Himmels
blieb unentschlossen. Matu dachte an den Riesen vom Berge, von dem es so viele Geschichten gab, dass er sie gar nicht alle behalten hatte.
»Was willst du auf dich nehmen?«, fragte Talale.
Ekuos schwieg. Er wusste es nicht. Denn selbst wenn er Atles finden würde, wohin sollten sie sich dann wenden? Er würde ihn nicht nach Iuvavum bringen können, ohne dass man sie verriet. Also gab es nur den Weg über die Berge, die er nicht kannte.
Gegen Abend betrat der weise Alte vom Bergtempel das Haus und teilte Ekuos mit, dass er an den Zeremonien des Festes zu Samhain teilnehmen dürfe. Die weisen Frauen und Männer hatten sich darauf verständigt, dass Ekuos ein Seher bleiben durfte, nur den Berg des Lichts hatte er nicht mehr zu betreten. Trotz dieser Einschränkung war das eine Auszeichnung und Ehre für ihn.
Talale war es, die zwischen den Häusern ihre Steinkreise auslegte. Irscha, Amadas und Matu blieben auf Distanz zu ihr, während der weise Alte und Ekuos durch die Häuser schritten und die Feuerstellen löschten. Nirgendwo durfte mehr ein Feuer brennen, so verlangte es das Fest.
Amadas war sehr neugierig und musste von Matu immer wieder zurückgehalten werden, damit er nicht zu nahe an die weisen Frauen und Männer heranrückte. Ihm war nicht bekannt, weshalb es genau drei Feiertage waren, aber er vermutete, es könnte mit Sonne, Mond und Erde zusammenhängen. Diese Trinität war ihm bei den Kelten bereits häufiger aufgefallen. In einem stillen Moment wollte er Quintus Tessius fragen. Nun liefen sie um das Haus und schauten, wie sich andere Sippen auf die kommenden Tage vorbereiteten. Quintus Tessius war nicht sehr gesprächig. Seine Frau Jantumara, die mit den Kindern in einem anderen Haus lebte, hatte ihn ausgeschimpft, weil er sich nicht das erste neue Feuer gesichert hatte. Denn das Feuer starb, wurde aber gleich wieder geboren und von den Weisen in die Häuser gebracht, wo es die Herdstellen frisch entzündete. Amadas zog ihn zur Seite und stellte seine Frage.
»Alles hat mit der Drei zu tun. Denk an Geburt, Leben und den Tod. Der Himmel ist hell, im Dämmerlicht oder dunkel. Alle guten Dinge sind eben drei.«
Amadas schaute sich um. Kaum waren die Feuer in den Häusern wieder angezündet, waren die Leute von den Wegen verschwunden. Gab es bei den Sippen keine eigenen Geschichtenerzähler, konnten sie sich einen solchen bestellen. Die dunkle Jahreszeit wurde an den Hausfeuern gerne mit Geschichtenerzählen überbrückt, denn es gab nicht viel zu tun. Zum Erstaunen von Amadas war im Haus von Irscha seine Frau Jantumara die Erzählerin. Was ihn noch mehr verwirrte war, dass sie eine Geschichte erzählte, in deren Mittelpunkt Ekuos stand.
»Ekuos der Hirte lief los und ein Eber und die Herde folgten ihm. Er hörte, wie eine Wolke am Himmel laut stöhnend ihren Rastplatz verließ und der Herde nicht mehr folgen konnte. Am Rand des Waldes öffnete sich ein flacher Platz, auf dem nur noch einige wenige Bäume standen. Ekuos schaute hinüber, wo er nach der Ebene den Fluss vermutete. Doch er erblickte nichts als dichten grauen Feennebel, in dem sich jedes normale Lebewesen für alle Zeiten verirren musste. Neben einer jungen Eiche sah er eine mannshohe Felswand, aus deren Mitte Wasser quoll. Noch war die Gelegenheit da, umzukehren. Ekuos stand mit bloßem Oberkörper vor der Quelle und versuchte, das eiskalte Wasser an seinen Körper zu bringen. Sein Rücken war übersät von blauen Striemen und faustgroßen Blutergüssen. Die Feinde hatten ihn böse zugerichtet. Er schaute sich um. Wo war Rosmerta? Weit und breit war von ihr nichts zu sehen und zu hören, bis sie plötzlich direkt aus der Wand neben der Quelle trat und den halb nackten Ekuos betrachtete. Wenn Rosmerta hier im Berg zu leben schien, konnte sein Dorf doch nicht mehr weit entfernt sein, dachte Ekuos. Viele Frauen gingen in die Nähe des Waldes, um Rosmerta zu treffen. Er hatte davon reden hören. Sie taten es heimlich, weil es die Weisen nicht wollten. Die Männer auch nicht, denn viele Frauen kamen zurück und trugen nach einiger Zeit Kinder unter ihren Herzen. Auch Ekuos Mutter hatte sich schon Rat bei Rosmerta geholt, allerdings nicht für sich, sondern für die Tiere, wenn sie von einem Zauber befallen waren oder keine Milch mehr gaben. Da Ekuos nun Rosmerta gesehen hatte, musste er sein Bild von sich verändern. Aus den Reden der Frauen hatte er immer geschlossen, dass es sich um eine weise Frau handelte, die schon immer hier gelebt
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