Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
konnte nicht sein, es gab keine Seelenjäger, das waren Ammenmärchen! Ein Dieb, es mußte ein Dieb sein, der sich Zutritt
     verschaffen wollte zu den Prozeßakten, um sein Wams rein zu waschen. Vizenz sank lautlos in das Kissen. Er mußte sich schlafend
     stellen. Dann tat man ihm nichts und ging davon aus, daß er nichts gehört hatte.
    Etwas berührte seinen Mund. Das Herz setzte ihm aus. Ein weicher Stoffhandschuh preßte sich auf sein Gesicht. Die Hand, die
     darin steckte, war kräftig. Sie drückte fest zu. |273| Hände packten ihn an Armen und Beinen. Sie hoben ihn aus dem Bett, schleppten ihn durch das Zimmer. Er wand sich, brüllte.
     Versuchte zu beißen.
    Sie verloren den Halt bei seinem Bein, er kam frei mit dem rechten Fuß. Vizenz trat und kämpfte. Sie ließen ihn zu Boden fallen.
     Ein Hieb traf seinen Kopf. Feuer tanzte vor den Augen. Eine Faust landete im Magen. Er wurde an den Haaren genommen und mit
     dem Kopf gegen den Boden geschlagen. Alles schwand dahin. Er spürte nichts mehr, hörte die Schläge wie aus weiter Ferne. Das
     ist das Ende, dachte er.
    Er erwachte. Der Kopf platzte schier vor Schmerzen. Im Mund steckte der Handschuh, er war vollgesogen mit Blut, ein Knebel
     hielt ihn fest am Platz. Vizenz bekam keine Luft. Er atmete mühsam durch ein freies Nasenloch. Ihn schwindelte. Er meinte
     zu schweben, Häuserreihen neben sich, einige schneeumrahmte Fenster schwach beleuchtet von Funzeln. Schnee knirschte unter
     Stiefelsohlen. Aber er lief doch gar nicht!
    Er lag auf einem Pferderücken. Sie brachten ihn fort. Sein Herz begann zu rasen. Die Atemnot wurde schlimmer. Hände und Füße
     waren gefesselt. Er blökte Hilferufe in den Knebel. Man achtete nicht auf ihn. Es war ihnen gleichgültig, daß er erstickte!
    An einer Straßenkreuzung hielten sie an. »Lukas, warte. Da kommt jemand.« Sie führten sein Pferd und ein zweites, das über
     und über mit Wasserschläuchen beladen war, zu einer Toreinfahrt. Er hörte Schritte näher kommen. Er mußte sich bemerkbar machen!
    Vizenz krümmte sich, geriet ins Rutschen. Er fiel vom Pferd. Hart landete er auf dem Boden. Das Gesicht drückte sich in den
     Schnee. Er wand sich. Da lag er, die Wange in den Schnee gepreßt, und blickte auf die Straße wie eine verendende Ratte. Der
     Blutgeschmack im Mund, der schmerzende Schädel, die verdrehten Arme!
    Schnabelschuhe betraten sein Gesichtsfeld. Ein Adliger? Ein rotes Seidentuch fiel in den Schnee. Der Adlige bückte |274| sich danach. Er faßte mit Samthandschuhen das Tuch und blickte Vizenz in das Gesicht. Der Adlige erschrak, ganz offensichtlich.
     Hatte er ihn erkannt?
    Helft mir!
brüllte Vizenz in den Knebel.
    Jemand sagte: »Kommt, gehen wir weiter. Überlaßt diesen Vorfall den städtischen Bütteln.«
    Vizenz verdrehte die Augen, um den Mann zu sehen. Der Adlige stand da und betrachtete ihn unschlüssig. Er trug einen feinen,
     schimmernden Vollbart. Hinter ihm warteten Männer in Kutten.
    Er hörte Schritte im Schnee. Seine Peiniger traten aus der Toreinfahrt. »Ein Schurke. Wir haben ihn im Auftrag der Stadt gefangengesetzt.
     Kein Grund zur Beunruhigung.«
    Der Adlige räusperte sich. »Ein Schurke, ja?« fragte er.
    »Ein Schurke.«
    »Dann ist es gut.« Die Schnabelschuhe gingen weiter, gefolgt von den Kutten.
    Hilfe!
blökte Vizenz.
    Er wurde in den Rücken gestoßen. Ein Mann beugte sich über ihn. Er sah ihm gerade in die Augen. »Ich bin Jakobus. Wenn du
     noch einen Laut von dir gibst, breche ich dir die Knie.« Die Zähne des Mannes waren fleckig braun. »Ich weiß, wie man Knie
     bricht. Es macht mir auch nichts aus, dir deine Knochen zu zerhauen.« Kein Zweifel, er meinte, was er sagte.
    Sie stemmten ihn hoch und legten ihn wieder auf den Pferderücken. Dann führten sie die Tiere weiter. War ihnen nicht bewußt,
     daß die Kirche diese Mißhandlung nicht hinnehmen würde? Sie verspielten ihr Leben. Man würde sie an den Galgen hängen.
    Warum hatten sie keine Angst? Sie waren nicht einmal vermummt, er würde den Kerl mit den fleckigen Zähnen wiedererkennen,
     die anderen ebenso, den schielenden Rotschopf, den Mann mit dem Ziegenbärtchen. Fürchteten sie sich nicht vor dem Zorn des
     Bischofs?
    Daß sie keine Angst hatten, konnte nur einen Grund haben. Der Gedanke kroch durch seine Glieder wie Eis. Sie würden |275| ihn töten. Sie hatten keine Angst, weil er nie wieder sprechen würde. Er würde nie wieder essen, nie wieder schlafen, nie
     wieder die Sonne sehen. Es war

Weitere Kostenlose Bücher