Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
Ihr nicht, wen Ihr vor Euch habt. Dann wird es Zeit, daß Ihr mich erkennt, ich habe diese beschwerliche Reise
     nämlich nicht auf mich genommen, um hier im Stehen empfangen zu werden wie ein Fremder!« Er legte die kleinen Finger vor dem
     Bauch zusammen, wie es der Meister des Spitalordens getan hatte. »Ich bin ein Abgesandter der französischen Kirche der Perfekten.
     Ich bin hier, um Mitbruder dieses Kreises zu sein.«
    Amiel erhob sich. »Die französische Kirche ist vernichtet.«
    »Das ist sie nicht. Meint Ihr, der große Autier hat allein Euch geweiht, bevor er bei Saint-Étienne verbrannt wurde? Auch
     mein Herr ist Perfectus, neben einigen anderen, und er hat mich hierher gesandt, um Euch zu unterstützen.«
    Amiels Kinn bebte. »Wer seid Ihr?« fragte er leise.
    »Nennt mich Judas.«

[ Menü ]
    |280| 21
    Sie warfen ihn im Wald zu Boden. Der Kuttenträger mit dem Ziegenbärtchen kniete neben ihm nieder und löste seine Fesseln.
     Er nahm ihm auch den Knebel ab. Vizenz schöpfte rasselnd Atem. Ließen sie ihn frei?
    »Zieh dich aus«, sagte der Kerl mit den fleckigen Zähnen.
    »Ich bin Träger einer päpstlichen Vollmacht.« Vizenz stand auf. Der kalte Schnee schmerzte an den Fußsohlen. »Man wird euch
     erbarmungslos verfolgen. Wenn ihr klug seid, laßt ihr mich gehen.«
    Der schielende Rotschopf und der Mann mit dem Ziegenbärtchen schwiegen. Der mit den fleckigen Zähnen sagte: »Dein Papst kümmert
     uns nicht. Zieh dich aus.«
    »Ich kann mich für ein gnädiges Urteil einsetzen. Noch ist es nicht zu spät!«
    »Zieh dich aus.«
    »Was wollt ihr von mir? Geht es um die Inquisition? Wenn ihr mich tötet, kommt ein neuer Inquisitor. Die Inquisition wird
     nicht verschwinden.«
    »Hast du dem Dominikaner geschrieben?«
    Was war die richtige Antwort? Und wie konnten sie überhaupt von einem Brief wissen? Vizenz nickte zögerlich. »Ja, das habe
     ich.«
    »Dann läuft alles wie gewünscht.« Der Kerl machte einen Schritt auf ihn zu und packte ihn. Die beiden anderen Kuttenträger
     begannen, Vizenz die Kleider vom Leib zu reißen. Sie zogen ihn nackt aus. Anschließend wurde er zu einem Baum geführt und
     daran festgebunden.
    Die kalte Nachtluft strich beißend über seine Haut. »Wollt ihr, daß ich erfriere?«
    »Du stehst der neuen Kirche im Weg. Die alte Kirche ist gefallen. |281| Wir gründen die Kirche der Reinen. In ihr gibt es keinen Platz für dich.«
    Amiel steckte dahinter! Diese Kuttenträger waren Gefolgsmänner Amiels von Ax! »Wie kann es rein sein zu morden? Ihr gründet
     eure Kirche auf Blut!«
    Die Männer luden die Schläuche vom zweiten Pferd. Der Rotschopf öffnete einen der Schläuche. Er trat an Vizenz heran.
    »Was habt ihr vor?« Er zitterte am ganzen Leib, vor Angst und vor Kälte.
    Der Rotschopf hob den Schlauch über Vizenz’ Kopf und übergoß ihn mit Wasser. Es rann in eisigen Bahnen an ihm herab, benetzte
     den Rücken, die Brust. Mit nassen Fingern lief es an den Beinen hinunter. Das Zittern wurde schlimmer, seine Muskeln bebten,
     als wollten sie ihn zerreißen. Sein Atem ging in Stößen.
    Sie brachten den nächsten Schlauch. Ein neuer Schwall von Wasser floß über ihn. Der Wind biß nun noch unbarmherziger in seine
     Haut. Ich sterbe, dachte er, und der Gedanke erfüllte ihn mit rasender Trauer. »Vater im Himmel«, sagte er, »ich bin dein.
     Rette mich! Rette mich!«
    Die Kälte zertrümmerte ihm den Schädel, so fühlte es sich an. Haarsträhnen hingen ihm ins Gesicht, Eiszapfen. Zitterte er
     noch? Er konnte es nicht mehr fühlen. Ein weiterer Schlauch, wieder ein Schwall von Wasser. War es warm? War es kalt? Die
     Haut zog sich zusammen, als wollte sie reißen.
    Er konnte seine Füße nicht mehr spüren. Vizenz sah hinunter. Schimmerndes Eis umgab sie. Die Zehen glänzten wie Glas. Er würde
     zu einer Eissäule gefrieren. Müdigkeit lähmte ihn. Er starb. Er starb! Er dachte: Vater im Himmel, ich bin dein. Ich habe
     immer große Scheu vor dir gehabt. Ich weiß, ich bin dir ausgewichen, ich habe selten mit dir gesprochen, weil ich mich gefürchtet
     habe, etwas Falsches zu sagen. Du warst mir unheimlich. Aber ich bin dein! Erlöse mich!
    Die Müdigkeit enführte ihn sanft. Er riß die Augen auf. Er spürte nichts mehr, sein Körper war verschwunden, fort. Die |282| Schlehenbüsche! Dort waren Williams Schlehenbüsche, und seine Bienen. Welche Ironie. Seine letzten Gedanken galten einem Ketzer.
     
    Das Butterfaß erzitterte unter ihren Stößen. Adelines

Weitere Kostenlose Bücher