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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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schlechte Lügnerin. Ich sollte dich dein eigenes Gift essen lassen.«
    »Bitte nicht«, würgte sie hervor. Sie wich zurück.
    Er folgte ihr. Sein grüner Blick ließ sie nicht los. Sie stieß an ein Faß, konnte nicht weiter zurückweichen. Er trat nahe
     an |302| sie heran, sehr nahe. Seine Hand rührte an ihren Bauch. Langsam fuhr sie an ihrem Körper hinauf. Die Hand erreichte den Kragen.
     Seine andere Hand kam hinzu. Die Hände rissen am Kleid. Der Stoff hielt, er wollte nicht nachgeben. Amiels Blick wurde weicher.
     Er begann, ihr Gesicht zu küssen.
    »Nein«, wimmerte sie. »Nein. Bitte. Nein.«
    Er löste sich von ihrem Gesicht. »Warum bist du zu mir gekommen?« raunte er. »Du hättest nicht kommen sollen. Du hättest wirklich
     nicht kommen sollen mit deinem Gift und deinem Fleisch und diesem duftenden Körper. Habe ich dir nicht gesagt, daß du mich
     in Frieden lassen sollst?« Während er sprach, faßte er wieder ihren Kragen. »Ich habe es dir gesagt, aber du wußtest es ja
     besser, du mußtest hierherkommen. Du legst es darauf an, mich zu Fall zu bringen. Das ist nicht gut.« Diesmal riß er so hart
     am Kragen, daß der Stoff nachgab. Es war Adeline, als würde ihre Haut zerreißen.

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    |303| 23
    Nemo ächzte. Er hatte falsch gelegen. Seine Rippe schmerzte. Besserte sich das nie? Er setzte sich auf. Der Mond schien ihm
     durch die Fensterluke geradewegs ins Gesicht. Vorsichtig dehnte er den Rücken.
    Im Mondlicht wirkte der Raum seltsam fahl. Alles sah aus wie mit Milch begossen: die zwei Truhen, die Ofenluke, das Fell,
     der Strohsack, die Decken. Er nahm einen Schürhaken und zog die Ofentür auf. Wärme strahlte heraus. In der Asche schimmerte
     Glut.
    Er hielt den Atem an. War das ein Schnarchen drüben im Saal? Sie hatten Jakobus unter dem Vorwand im Saal einquartiert, daß
     er des Nachts keine Ruhe finde und die anderen dann mit seinem Umherwandern am Schlafen hindere. Solange sie die Dinge vor
     Nemo beschönigten, wußte er, daß Amiel ihn noch nicht durchschaut hatte.
    Jakobus schlief also? Nemo stand auf. Er ging zur Tür und lauschte erneut. Deutlich hörte er den Mann schnarchen. Wenn er
     in Unterkleidern blieb, so, wie er war, dann konnte er sich herausreden, sollten sie ihn erwischen; er konnte sagen, daß ihm
     ein Bein taub geworden war und er umherging, damit es wieder durchblutet wurde. Er setzte sich nieder und zog die Schnabelschuhe
     an.
    Er erhob sich. Vorsichtig drückte er die Tür auf. In einem der großen Glasfenster stand der Mond. Das weiße Rund spiegelte
     sich auf dem Tisch mit den Löwenpranken in der Mitte des Saals. Die zwölf Stühle standen leer und verwaist. Jakobus lag vor
     den Fenstern rücklings auf seinem Strohsack. Leise schloß Nemo die Tür hinter sich. Falls der Wächter später erwachte, wenn
     er, Nemo, fort war, dann sollte er keinen Verdacht schöpfen.
    |304| Jakobus richtete sich auf. Er starrte Nemo an mit schlaffem, schlaftrunkenem Gesicht. »Du kannst doch die kleinen Kätzchen
     nicht ersäufen, Mutter!« Er sank zurück auf sein Lager. Unruhig drehte er sich auf die Seite. Sicher würde er in Kürze wahrhaftig
     erwachen. Nemo schlich im Bogen um ihn herum, hin zur großen, mit Schnitzwerk verzierten Tür. Er öffnete sie um einen Spalt
     und schlüpfte hindurch.
    Das letzte Zimmer im Gang gehörte Amiel von Ax. Das hatte er beobachtet, weil er genau darauf geachtet hatte, wohin Amiel
     ging, wenn er sich zurückzog. Eilig durchmaß er den Gang bis zum Ende und legte das Ohr oberhalb der Klinke an das Holz.
    Nichts.
    Womöglich lag der Perfectus wach. Oder er stand am Schreibpult und las. Nemo prüfte die Ritze unter der Tür. Es war kein Licht
     zu sehen. Er mußte es versuchen. Jetzt galt es! Er schob die Tür um einen Spalt auf und spähte hinein. Die Kammer war dunkel,
     sie lag auf der mondabgewandten Seite des Ritterhauses. Es war völlig still, kein Atemhauch war zu hören.
    Nemo trat ein. Wie konnte der Perfectus derart lautlos atmen? Er blieb bei der Tür stehen und wartete darauf, daß sich die
     Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Einen Augenblick lang glaubte er, den Perfectus vor sich zu sehen, die Hand mit einem Messer
     hoch erhoben. Dann verschwand das Trugbild. Er sah Umrisse, hellere und dunklere Flächen. Bald konnte er das Bettlager erkennen.
     Es war zerwühlt und leer. Wo war Amiel?
    Wenn er auf dem Abritt war, blieb nicht viel Zeit. Zwar befand sich der Abort am anderen Ende des Hauses und ein Stockwerk
    

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