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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Unsichtbare.‹«
    »So ist es«, sagte der Perfectus. »Paulus meint damit natürlich nur das Gute, das nämlich, das sichtbar ist für das Herz und
     unsichtbar für die Augen des Fleisches. Alles, was wir sehen können, ist Teil dieser Welt, und diese Welt ist ein dämonisches
     Gefängnis.«
    Er drehte ihm das Wort im Munde um. Er schämte sich nicht, die Heilige Schrift zu verfremden! William sagte laut: »Bei aller
     Verachtung für die Welt scheint Ihr ja zumindest dem bequemen Wohnen nicht abgeneigt zu sein. Wie ich hörte, habt Ihr das
     Haus des Ratsherrn Pötschner bezogen?«
    Amiel rief: »Die Zeit des Wachsens im verborgenen ist vorbei. Die perfekte Kirche darf sich zeigen, sie muß offenbar werden!«
     Er drehte sich zum Volk hin und breitete die Arme aus. »Laßt Euch von der Liebeshudelei der Kirche nicht in die Irre führen.
     Nur mit äußerster Strenge gegen Euch selbst werdet Ihr den Himmel erreichen. Verachtet diese Welt! Liebt allein Gott und seine
     Reinheit!«
    »Ich stimme Euch zu«, sagte William.
    Der Perfectus sah ihn an. »Tatsächlich?«
    »Er hat recht«, verkündete William dem Volk. »Die Erde befindet sich im Kriegszustand, der Böse wütet unter uns. Er, der Fürst
     der Finsternis, war ursprünglich gut, er war das herrlichste Geschöpf, das Gott je geschaffen hat. Aber das hat Satan nicht
     genügt. Er hat sich von Gott abgewendet und uns in seine Rebellion mit hineingezogen. Wie konnten wir Menschen uns ihm anschließen!
     Nun ist die Erde von Rebellen besetzt, von bösen Kräften und abtrünnigen Geschöpfen.«
    Amiel wies auf ihn. »Seht Ihr, selbst ein Mönch sieht es ein!«
    |324| »Augenblick, ich war noch nicht fertig. Gottes Sohn, der rechtmäßige König aller Könige, hat unser Rebellenreich aufgesucht.
     Er hat im Untergrund gearbeitet und hat einen weltweiten Feldzug der Königstreuen begonnen. Denn die Erde ist gut, auch wenn
     sich viele Geschöpfe gegen Gott auflehnen. Paulus sagte in Athen auf dem Areopag: ›In ihm leben, weben und sind wir.‹ Diese
     Welt ist in Gott eingetaucht. Die Wirklichkeit, die wir sehen, ist kleiner als die wahre, unsichtbare Wirklichkeit, aber das
     Unsichtbare kommt an den Rändern hindurch, es flüstert im Wind, es erinnert uns daran, wo wir herkommen, und an Geheimnisse,
     die wir einst wußten, bevor wir rebelliert haben.«
    »O nein, verderbter Engländer, so ist es nicht.« Amiel beugte sich über die Kante des Ochsenkarrens hin zur versammelten Volksmenge.
     »Ihr wißt es doch besser. Ihr spürt es, wenn Ihr Euch des Nachts mit einer Frau im Bett gewälzt habt, das Gewissen mahnt Euch
     dann, ist es nicht so? Wenn Ihr Fleisch verzehrt habt, sagt Euch Euer Gewissen nicht, welche Sünder Ihr seid? Warnt es Euch
     nicht vor den tückischen Schönheiten dieser Erde? Nichts ist von Bestand, die größte Freude ist in Wahrheit nur ein Abgrund.«
    »Wenn Gott Glieder erschafft, die zueinander passen und zur Fortpflanzung dienen«, sagte William, »dann ist folglich auch
     die Fortpflanzung von Gott beabsichtigt. Das, was Natur ist, ist keine Sünde. Solange es nicht in ehebrecherischer Weise geschieht,
     ist der Akt der Zeugung etwas Gutes.«
    »Da habt Ihr es wieder, der Mönch predigt Euch Aristoteles. Er denkt, daß die Seele und der Körper zusammengehören. Ich aber
     warne Euch, wie auch Platon warnte! Es besteht ein Widerstreit zwischen Seele und Körper. Der Körper ist verrucht, er ist
     ein dämonisches Gefängnis für unseren guten Geist. Euer Körper will Euch verführen, gebt ihm nicht nach, sage ich!«
    »Hat nicht Gott die erste Ehe im Garten Eden angeleitet? Hat nicht Christus Wasser in Wein verwandelt auf einer Hochzeit?
     Er hat sie gutgeheißen! Den Körper als Gefängnis |325| der Seele zu betrachten, das ist kein christliches Denken. Wir Christen wissen, daß Gott unseren Körper geschaffen hat. Wir
     sollen ihn pflegen, ihn lieben. In der Heiligen Schrift heißt es, der Körper ist der Tempel des Heiligen Geistes.«
    Amiel sah William nicht mehr an. Er redete nur noch zur Volksmenge. »Wie oft betet Ihr, und nichts geschieht? Habt Ihr Euch
     nie gefragt, woran das liegt? Gott erhört keine Gebete von Schuldbefleckten! Eure Gebete sind nutzlos. Nur die Gebete eines
     Heiligen, eines sündlosen Perfectus können bis zu Gottes Thronsaal vordringen. Schließt Euch mir an! Ich werde für Euch beten.«
    »Bitte für uns!« rief eine Frau. Andere fielen ein: »Ja, bitte für uns!«
    Er verlor das Volk, er spürte es

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