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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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die Wahrheit!«
    »Mathilde, laß ihn los.« Der Vater legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es ist alles eingetroffen, was er gesagt hat. Ihm
     verdanken wir es, daß ich frei bin! Amiel von Ax schickt ihn, da bin ich sicher. Wir können ihm vertrauen.«
    Was redete er da? Er hatte doch gesagt, daß Amiel von Ax nicht hinter ihrer Befreiung steckte? Er war erfahren im Spiel der
     Lügen. Womöglich hatte er etwas vor mit dem Kleinen. Sie ließ ihn los.
    Vater sagte: »Sie ist sonst nicht so. Wir werden gut miteinander zurechtkommen auf der Reise. Du mußt fort, weil sie dein
     Gesicht gesehen haben, was?«
    »In der Stadt kann ich mich nicht mehr blicken lassen, hat der alte Mann gesagt.«
    »Da hat er recht.« Der Vater strich ihm über den hellen Schopf. »Lauf vor nach Haidhausen. Dort habe ich etwas bei der Kirche
     versteckt, das ich holen muß, bevor wir fortziehen können. Ich möchte, daß du in eine Scheune einbrichst und eine Schaufel
     stiehlst. Die verbirgst du an der Kirche, so daß ich sie finden kann. Dann schleichst du durch den Ort und |336| prüfst die Wege. Ich muß sichergehen, daß man uns nicht auflauert. Tust du das?«
    »Er fürchtet sich doch im Dunkeln«, wandte Mathilde ein.
    »Ich fürchte mich nicht! Haidhausen? Das weiß ich, wo das ist. Eine Schaufel finde ich bestimmt!«
    »Wir kommen nach.« sagte Vater.
    Der Junge nickte und ging querfeldein davon. Mathilde wartete, bis er außer Hörweite war, dann sagte sie: »Tut mir leid, Vater.«
    Er zog sie mit sich in das Feld hinein, auf der Spur des Jungen. »Komm ein Stück«, flüsterte er, »sie sollen uns von der Mauer
     nicht hören.« Nachdem sie eine Weile gelaufen waren, hielt er an und sagte: »Du mußt dich nicht entschuldigen. Du warst gut.
     Sie können ruhig erfahren, daß wir uns Sorgen machen und mißtrauisch sind. Das macht unseren Irrtum glaubwürdiger. Sie müssen
     glauben, daß wir in ihre Falle tappen.«
    »Denkst du, der Junge arbeitet für den Weisen Weißen?«
    »Er muß kein boshaftes Kind sein. Der Inquisitor weiß, wie man Menschen lenkt. Vielleicht hat er ihm versprochen, das nächste
     Jahr ein Schulgeld für ihn zu bezahlen, und ermöglicht ihm so, daß er Lesen und Schreiben lernt. Das Ruchlose kommt oft freundlich
     daher.« Er zog sie weiter. »Auf nach Haidhausen.«
    »Du willst da wirklich hin?«
    »Bisher läuft alles bestens, Töchterchen.«
    Sie schlugen sich in das Feld. Es war schwer, über die Ackerfurchen zu laufen, immer wieder stolperte sie, weil der unebene
     Boden unerwartet nachgab oder sich vor ihren Fußspitzen aufgehäuft hatte. Grannen stachen sie. Spelzen fielen ihr in die Schuhe,
     sie spürte sie bei jedem Schritt. Die Spelzen blieben auch an ihrem Kleid hängen, an den Ärmeln, überall kitzelte es unangenehm.
     Vater bat sie, einen großen Bogen um die Stadt zu machen. Münchens Mauerwall blieb immer rechts von ihnen. Die kleinen Lichter
     auf der Mauer wirkten feindselig, als würde man nach ihnen ausspähen.
    Endlich stießen sie auf das Isarufer. Es war eine Befreiung, |337| auf Gras zu treten. Mathilde versuchte, mit den Händen die Spelzen abzustreifen.
    »Weiter«, sagte der Vater. »Wir müssen rechtzeitig den Wald erreichen.«
    Sie folgten dem Fluß. Hier kamen sie gut voran, trotz der Dunkelheit. Es gab keine Hindernisse. Schwarz glänzte neben ihnen
     die Wasserfläche. Der Fluß war still, nur ab und an schlug ein Fisch mit der Schwanzflosse das Oberflächenwasser auf, und
     es klatschte mitten in die Ruhe hinein.
    Um die Brücke zu überqueren, mußten sie sich wieder der Stadt nähern. Sie schlichen am Isartor vorüber. Nie hatte Mathilde
     die Wölbung der Brücke so bewußt wahrgenommen. Sie stieg an bis zur Insel, die den Fluß in zwei Arme teilte, dann ging es
     wieder abwärts. Am Zollhaus kamen sie vorüber. Sie gingen den Weg am östlichen Isarufer hinauf, passierten das Leprosenhaus.
    Mathilde sah zum Himmel hoch. Die Sterne – hatte Gott jeden von ihnen einzeln geschaffen und an seinen Platz gesetzt? Sie
     waren zum Großen Bären angeordnet, auch den Kleinen Bären konnte sie ausmachen. Dazwischen befand sich der Drache. Was, wenn
     Vater plötzlich starb? Er mutete sich eine Menge zu, selbst für sie, die Gesunde, war es anstrengend. Sie drehte sich nach
     der Stadt um. Da lag München, ein Schattenkoloß vor dem blauschwarzen Himmel. Gott anbefohlen, liebe Heimat, dachte sie. Es
     leuchteten nur wenige Funken auf den Mauern. Aber da kam etwas Helles aus dem

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