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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Und der jetzige Papst, Benedikt, distanziert sich nicht von ihm. Damit kann auch
     Benedikt kein Papst sein, dem ich mich unterwerfe.«
    »Ihr als einzelner wollt Euch gegen die Meinung der Kirche Gottes stellen – merkt Ihr denn nicht, wie anmaßend und hochmütig
     das ist? Meint Ihr, daß sich Tausende irren, und Ihr seid im Recht? Meint Ihr, daß Gott es zulassen würde, daß die große Kirche
     in die Irre geht?«
    William nickte.
» Ecclesia non errat.
Die Kirche irrt nicht. Gott bewahrt sie davor. Aber mitunter tut er es, indem er den rechten Glauben bei nur einem einzigen
     ihrer Glieder bewahrt. Als Christus gekreuzigt wurde, verstreuten sich da nicht die Jünger in alle Winde und zweifelten an
     ihm? Deshalb war noch längst nicht falsch, was er ihnen beigebracht hatte. Seine Botschaft überlebte in der Treue einiger
     weniger, und als er wieder auferstand und sich den Menschen zeigte, kehrten die Irregelaufenen zu ihm zurück. Ich verweigere
     diesem Pseudopapst den Gehorsam, ja. In meinen Augen ist er ein Häretiker und sollte exkommuniziert und abgesetzt werden.«
    Der Inquisitor spannte die Kiefermuskeln an. Jeden Augenblick würde er seine Ritter auf ihn hetzen.
    »Er ist ja schon verurteilt«, setzte William nach. »Treffen ihn nicht in seinem falschen Handeln die Urteile vorangegangener |344| Konzilien und Päpste? Ich habe bereits vierundzwanzig Pergamentseiten vollgeschrieben und seine Irrtümer dargelegt, und ich
     werde noch zahllose weitere Seiten schreiben. Solange ich Hand, Pergament, Feder und Tinte zur Verfügung habe, werde ich nicht
     davon ablassen, gegen ihn zu kämpfen.«
     
    Nemo war wütend auf William Ockham gewesen. Der englische Franziskaner war dafür verantwortlich gewesen, daß ihn die Wachen
     mißhandelten und einsperrten am Kaiserhof, und das nur, weil er einen Brief überbracht hatte. Er gestand sich ein, daß es
     auch ein wenig Eifersucht gewesen war auf das Zutrauen, das Adeline dem Gelehrten gegenüber hegte. Er hatte ihn im Verdacht,
     daß er versuchte, ihr die Freundschaft zu ihm, Nemo, auszureden. Jetzt aber, wo er ihn mit dem Dominikaner streiten sah, begriff
     er, wie er sich in diesem Mann getäuscht hatte. William Ockham war nicht nur Amiel von Ax mutig entgegengetreten vor allem
     Volk auf dem Marktplatz – nein, er wagte es auch, einem Dominikaner Dinge zu sagen, die ihn binnen Tagen auf den Scheiterhaufen
     bringen würden. Dem Engländer bedeutete es mehr, die Wahrheit auszusprechen, als sein eigenes Leben zu verschonen.
    »Also bekämpft Ihr Christus!« rief der Dominikaner aus, und sein weißes Pferd tänzelte dabei zur Seite. »Christus sagte zu
     Petrus: ›Ich gebe dir die Schlüssel des Himmelreichs; was du auf Erden bindest, das wird auch im Himmel gebunden sein, und
     was du auf Erden löst, das wird auch im Himmel gelöst sein.‹ Damit hat er Petrus eine einzigartige Macht verliehen, und mit
     ihm seinen Nachfolgern, den Bischöfen von Rom. Sie sind Stellvertreter Christi auf Erden. Christus ist mächtig in geistlichen
     und in weltlichen Belangen, ist es nicht so? Jeder hat sich ihm unterzuordnen, und also auch dem Papst. Der Papst untersteht
     keinem Gesetz, er untersteht allein Christus. Wenn Ihr ihn angreift, Ockham, greift Ihr Christus an!«
    William Ockham ballte die Hände zu Fäusten. »Was Ihr da sagt, ist nicht nur falsch, sondern auch noch eine Gefahr für |345| alle Gläubigen. Es ist häretisch! Wenn der Papst eine solche Machtfülle hätte, könnte er ja Könige absetzen und ihr Territorium
     und ihre Regierungsgewalt seinen Verwandten und Freunden übergeben oder sie sogar selbst behalten! Daraus würden Kriege entstehen,
     die die gesamte Menschheit bedrohen.« Der Wind fuhr in die weißen Haare des Engländers. Er sah aus wie Merlin in den Sagen
     von König Artus’ Tafelrunde.
    »Nun rückt Ihr also auch noch von der Bibel ab, ja?« Der Dominikaner lachte. »Damit habt Ihr sämtlichen Boden unter den Füßen
     verloren. Es steht in der Heiligen Schrift, und Ihr wagt es, Euch dagegenzustellen?«
    »Niemals wende ich mich von der Bibel ab«, erwiderte William Ockham. »Ich werde Euch sagen, was in der Heiligen Schrift steht.
     Als Christus dem Petrus seine Schafe anvertraute, wollte er nicht für Ehre, Vorteil, Ruhm und Nutzen des Petrus sorgen. Er
     wollte vor allem für die Schafe sorgen. Hat er denn zu Petrus gesagt: ›Herrsche über meine Schafe!‹ Hat er das getan? Nein.
     Er sagte vielmehr: ›Weide meine Schafe.‹ Das

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