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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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dadurch größere Übel und Gefahren abgewendet
     werden können.«
    »Nichts anderes tue ich.«
    Er sollte schweigen. Nein, er konnte es nicht. »Ihr, Herr Inquisitor, wollt nicht Gefahren abwenden, Ihr wollt eine Bekehrung
     zu den Lehren der Kirche erzwingen.«
    Der Dominikaner verzog keine Miene. »Augustinus hat eine erzwungene Bekehrung befürwortet.«
    »Dennoch sprach er sich gegen die Todesstrafe aus. Sie nimmt die Möglichkeit zur Buße, zum Neuanfang. Außerdem dürfen bei
     einem Inquisitionsprozeß die Namen der Zeugen nicht bekanntgegeben werden. Das wirkt sich immer zu Ungunsten der Angeklagten
     aus, denn sie können die Aussagen Unbekannter viel schwerer widerlegen. Es ist ein Unding, daß Ihr für alles verantwortlich
     seid: von den Untersuchungen bis hin zum abschließenden Urteil. Nicht einmal ein Verteidiger ist zugelassen, der für die Rechte
     des Angeklagten kämpft!«
    »Warum sollte auch jemand für einen Menschen eintreten, der sich der Seite Satans angeschlossen hat? Abgesehen davon überseht
     Ihr, daß sehr wohl ein Rechtsberater die Urteilsfindung beobachtet. Bisher hat mir noch niemand einen ungerechten Beschluß
     nachgewiesen.« Der Dominikaner klopfte seinem Pferd auf den Hals.
    »Was ist mit den Prozeßeinreden und Fristen? Sie sind alle außer Kraft gesetzt durch die Kurie. Wie kann es rechtens sein,
     bei Ketzerverfahren anders vorzugehen als bei der Anklage eines Diebes oder eines Verräters?«
    »Nennt Ihr mich ungerecht?« Der Inquisitor kniff die Augen zusammen. »Damit stellt Ihr Euch auf die Seite Amiels von Ax.«
    »Ich habe nie gesagt, daß es keine Häresie gibt. Es existieren Irrtümer, deren Ausbreitung verhindert werden muß.«
    |342| »Wer legt fest, welche das sind? Wer, wenn nicht der Papst und die Inquisition?«
    »Ob nun Papst, Generalkonzil oder Inquisition, wer eine Behauptung als häretisch verurteilt, sollte sich auf die Heilige Schrift
     stützen. Auf dieser Grundlage fußten die ersten Generalkonzilien, als sie die Häresien des Arius, des Makedonius, des Nestorius
     und des Dioskur verurteilten. Isidor schrieb im sechsten Jahrhundert darüber:
Isti haereses condemnando pro fundamento sacras literas posuerunt.
Als sie die Häresien verurteilten, nahmen sie die Heilige Schrift zur Grundlage.« Seit der Flucht vom päpstlichen Hof in Avignon
     vor neun Jahren war er den kirchlichen Würdenträgern ausgewichen. Damals hatte er Angst gehabt vor der Theologenkommission
     des Papstes. Es tat ihm wohl, endlich das Versteckspielen aufzugeben. Er wollte diesem Vertreter des Papstes die Wahrheit
     entgegenschleudern. Es war ein Unterschied, ob man Dinge niederschrieb und verschickte, oder ob man sie einem Dominikanerbluthund
     ins Gesicht sagen konnte.
    »In der päpstlichen Bulle
Unam Sanctam
wird erklärt«, sagte der Dominikaner, »daß kein Mensch gerettet werden kann, der sich nicht dem Papst unterordnet. Also kann
     er sehr wohl die verurteilen, die sich gegen ihn wenden.«
    »Zeigt mir die Stelle der Heiligen Schrift, wo Christus dieses Unterordnen unter den Papst fordert, und ich befolge es. Solange
     Christus es nicht verlangt – ich bitte Euch, wie kann der Papst sich anmaßen zu wissen, was für unsere Erlösung notwendig
     ist und was nicht? Erlöst er uns?«
    Der Schimmel des Großinquisitors legte die Ohren an und wich einige Schritte zurück. Offenbar spürte das Pferd dessen Wut.
     Der Dominikaner richtete sich hoch auf im Sattel. »Ihr stellt Euch gegen das sichtbare Haupt der christlichen Kirche!«
    »Glaubt mir, ich bin diesen Schritt nicht leichtfertig gegangen. Vier Jahre lang habe ich am päpstlichen Hof gelebt, bis ich
     erkannt habe, wie häretisch, lächerlich und dumm sich unser Oberhaupt verhalten hat.«
    |343| »Engländer! Wollt Ihr leben? Hütet Eure Zunge!«
    »Ihr sagt, der Papst sei niemals zu verurteilen. Was auch immer er tut, er ist in Euren Augen von jedem Fehler freigesprochen.
     Wie soll das möglich sein? Die Päpste widersprechen sich selbst! Als Sergius III. zum Papst erhoben wurde, erklärte er das
     Pontifikat und alle Weihehandlungen seines Vorgängers Formosus für ungültig. Wer von beiden war kein wahrer Papst? Nikolaus
     III. sagte, die Apostel hätten nichts besessen, sie hätten arm gelebt. Sein Nachfolger auf dem päpstlichen Thron sagte das
     Gegenteil. Nur einer von ihnen kann recht haben – der andere vertritt eine falsche Lehre. Dieser Irrende, Johannes XXII.,
     hat zahlreiche weitere Irrlehren verbreitet.

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