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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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er ihn mit seinen Blicken durchbohren. Nemo bewegte den Kopf um eine Winzigkeit nach rechts, dann
     nach links. Nein, sollte es bedeuten.
    William sagte: »Daß Ihr an Gott glaubt, das könnt Ihr weder sehen, noch mit einem anderen Sinn wahrnehmen – und doch ist es
     wahr. Daß Ihr glücklich sein möchtet, daß Ihr nicht irren möchtet – all dies ist wahr, aber nur intuitiv zu erkennen.« Er
     rührte an die seidene Decke, als müsse er die Aufmerksamkeit des Kaisers erlangen, obwohl der ihm doch längst zuhörte. »Es |399| läßt sich auch mit einem anderen Beispiel erklären: Wann immer jemand etwas ausspricht, hat er zuvor in seinem Inneren eine
     gedankliche Aussage gebildet. Sie gehört zu keinem Idiom, zu keiner Sprache. Das kann man daran sehen, daß wir oft in unserem
     Inneren Aussagen bilden, uns dann aber die Worte fehlen, sie auszudrücken. Ihr seht, es gibt Intuitives, das wir schwerlich
     messen können. Der Glaube gehört in diesen Bereich. Deshalb kann ich nicht beweisen, daß sich der Perfectus in seiner Sichtweise
     über Gott irrt.«
    Der Kaiser sank wieder tiefer in die Kissen. »Nun, dann will ich hoffen, daß in meinem Fall die meßbaren Dinge und die nicht
     meßbaren Dinge zusammenwirken.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Der Kaiser lächelte. »Habe ich Euch verwirrt? Ist mir das endlich einmal gelungen? Ich meinte die Medizin, die meßbar ist,
     und die Gebete zum gnädigen Gott, den wir nicht ermessen können. Der Schutztrank gegen Vergiftungen, den ich morgendlich trinke,
     wird seinen Teil tun, und Gott möge den Rest hinzugeben, damit ich überleben kann.«
    »Amen«, hauchte Margarete. Alle anderen Anwesenden folgten ihr und sagten: »Amen.«
    »Ich danke Euch, William«, sagte der Kaiser. »Ihr könnt gehen.«
    William verneigte sich vor dem im Bett liegenden Kaiser, und wandte sich zur Tür hin. Nemo verneigte sich ebenfalls und folgte
     ihm. Unterwegs wurde er von einer kleinen Hand am Arm gegriffen und festgehalten. Der Prinz zischte: »Bleibt stehen!«
    Erschüttert gehorchte Nemo. Er spürte, daß aller Augen auf ihm ruhten. Was sollte er tun? Wie konnte er das Unglück verhindern?
    Der Prinz zog ihn hinunter und flüsterte in sein Ohr: »Steckt Ihr hinter diesem Anschlag?«
    Nemo schluckte. »Nein.«
    »Ich bin froh, das zu hören. Sonst müßte ich Euch köpfen lassen.«
    |400| »Ja.«
    »Was passiert, wenn mein Vater stirbt?« Der Hauch wärmte Nemos Ohr, und kleine Speichelspritzer benetzten es. »Nehmt Ihr mich
     dann mit nach Frankreich?«
    »Ja, vielleicht.«
    »Versprecht es.«
    Immer noch hielt die Hand des Prinzen seinen Hemdsärmel fest umklammert. »Ich verspreche es«, sagte Nemo.
    »Gut.« Der Prinz ließ ihn los.
    »Was sollte das?« fragte der Kaiser streng. »Was flüsterst du in meinem Gemach, Wilhelm? Weißt du nicht, daß sich das nicht
     gehört? Ich möchte von dir hören, worum es ging.«
    Der Prinz sagte: »Es war etwas, das man nicht mit den Sinnen wahrnehmen kann, Vater, wofür die Worte fehlen, es auszudrücken,
     wie der Glaube.«
    Da lachte der Kaiser. »Schaut Euch meinen klugen kleinen Sohn an.« Er nickte Nemo zu. »Geht. Eure Verschwörung könnt Ihr später
     fortsetzen.«
    Sobald sich hinter ihnen die Türflügel geschlossen hatten, fragte William: »Was war das?«
    »Nichts. Der Kleine verfolgt ein Spiel, das wir einmal unten auf dem Hof begonnen haben.«
    » Der Kleine
ist der kaiserliche Prinz, und Ihr spielt mit nichts Geringerem als mit Eurem Leben! Wißt Ihr nicht, daß es unter den Fürsten
     die Tradition gibt, wenn sie sich dem Tode nahe wähnen, Menschen übermäßig zu belohnen, andere hingegen hinrichten zu lassen?
     Und die Herrscher hassen nichts so sehr wie Geflüster und Geheimnisse in ihrer Umgebung. Ihr hättet seinen Sturz planen können!«
    »Mit einem Sechsjährigen?«
    »Sie fangen früh an, allen voran Wilhelm.«
    Sie gingen schweigend den breiten Wandelgang entlang in Richtung der Treppe. Dann sagte der Engländer: »Mich wundert die Fischsuppe.
     Eine Suppe ist die ungünstigste Art, jemanden zu vergiften. Schon nach einem Löffel schmeckt er den bitteren Eisenhutanteil
     heraus. Dadurch nimmt das Opfer |401| zu wenig zu sich. Wenn das Gift in einem Stück Fleisch gesammelt ist, ist die Vergiftung um etliches stärker.«
    »Habe ich das nicht gesagt? Amiel wollte dem Dominikaner seine Ergebenheit beweisen, gleichzeitig will er ihn aber hinhalten.«
    »Der Kaiser wird leben. Ich bin mir dessen sicher. Er lacht, und seine

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