Das Mysterium: Roman
Bücher zur Verfügung hatte. Wollen Sie es nachprüfen? In Oxford gibt es noch heute Originale der Tafeln von Toledo in der
Übersetzung des Abaelardus.
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William Ockham
William Ockham stellte das Vorbild für William von Baskerville in Umberto Ecos Roman
Der Name der Rose
dar. Er wurde in jungen Jahren Franziskanermönch und studierte Theologie in Oxford. Weil die theologische Fakultät ihm Ketzerei
vorwarf, konnte er nicht den Magistertitel erwerben. Er wurde für ein Verfahren an den päpstlichen Hof in Avignon geladen
und verbrachte dort vier Jahre in einer Art »Untersu chungshaft «. (Die Akten des Verfahrens sind bis heute erhalten geblieben.) Ein Vorwurf, den man ihm machte, war beispielsweise seine
Aussage, Gott hätte uns nicht annehmen
müssen
, er wäre auch frei gewesen, uns aufzugeben – aber er habe sich dazu entschieden, uns zu retten.
Als zwischen den Franziskanern und der päpstlichen Kurie Streit darüber aufkam, ob die Kirche weltliche Güter besitzen solle
oder nicht, entschied der Ordensgeneral Michael von Cesena, Armut sei ein Gebot. Der Papst und die Mehrheit des Klerus hingegen
waren anderer Ansicht und sahen ihre Interessen durch die Lehren der Franziskaner bedroht. Michael von Cesena bat William
Ockham, dem Papst zu antworten. William beschuldigte in seinem Schreiben den Papst der Häresie und floh mit Michael von Cesena
1328 nach Pisa. Wegen ihrer Opposition zum Papst wurden sie mit dem Kirchenbann belegt.
In Pisa trafen die Franziskaner auf Kaiser Ludwig IV., der ihnen dort und später in München Exil bot. William Ockham lebte
bis zu seinem Tod in München. Seine Schriften sorgten immer wieder für großes Aufsehen. Sie wurden in Paris vom Bischof öffentlich
verbrannt und doch über die Jahrhunderte von vielen abgeschrieben, gelesen und diskutiert.
Der Aufenthalt in München war die längste Phase in Williams Leben, die er an einem Ort verbrachte: Achtzehn Jahre, bis zu
seinem Tod 1348, wohnte er dort. William Ockham erhielt ein Ehrengrab im Chor vor dem Hochaltar des Franziskanerklosters.
Später wurde sein Schädel der Bayerischen Akademie der Künste übergeben. Das Grab wurde 1802 im Zuge der Säkularisierung des
Klosters zerstört.
|467| Ich muß zugeben, daß ich zuerst Scheu empfand, in meinem Roman einen derart berühmten Mann zu schildern. Jeder Mittelalterkenner
wird Bereiche entdecken, dachte ich, in denen ich William Ockham seiner Auffassung nach nicht korrekt geschildert habe. Dann
las ich Williams Schriften und hatte solches Vergnügen dabei, daß ich – auf die verwirrende Art, wie emotionale Leute funktionieren
– mehr und mehr zu der Vorstellung gelangte, William Ockham gebe mir augenzwinkernd die Genehmigung, ihn mit ein wenig Freiheit
in meiner Geschichte zu schildern. Vieles von dem, was er im Roman sagt, hat er geschrieben und nicht ich.
Kaiser Ludwig IV
.
»Er war von schlanker hoher Gestalt, hatte spärliches rotblondes Haar, lebhafte Farben, schien immer zu lächeln, seine Augen
waren groß und klar, seine spitze Nase bog sich zum Munde nieder. Seine Wangen waren voll, sein Kinn schlank, sein Hals, der
Nacken und die Schultern wohlgebaut, die Arme, Schenkel und Füße proportioniert. Er war in den Waffen geübt und trat jeder
Gefahr kühn entgegen. Aber er überlegte nicht genügend im voraus, änderte rasch seine Entschlüsse und verlor im Unglück leicht
den Kopf. Von Manieren war er zum Scherz aufgelegt und leutselig, sein Gang war rasch, auf keinem Sitz, an keinem Platz hielt
es ihn lange.« – So wird Ludwig der Bayer 1329/30 von dem Paduaner Albertino Mussato beschrieben, einem glühenden Anhänger
von Papst Johannes XXII., der einer der größten Gegner Ludwigs war.
Ludwig wurde 1282 in München geboren. Seine Königsherrschaft mußte er sich erst jahrelang auf dem Schlachtfeld erstreiten,
und es war tatsächlich so: Während dieser Zeit sagte der Papst kein Wort, das zum Schlichten des Problems beigetragen hätte.
Am Vorabend der Schlacht von Mühlheim bei Ampfing 1322, bei der er mit großem Aufgebot aus den Städten des Landes gegen Friedrich
den Schönen, seinen Jugendfreund, ins Feld ziehen mußte, hatte König Ludwig nur |468| noch elf Pfund Haller Pfennige in der Kriegskasse. Das entspricht dreizehn Florentiner Gulden. Ludwig siegte, und bald darauf
verstieß ihn der Papst aus der Kirche und behauptete, er sei nie rechtmäßig König gewesen.
Ludwig setzte einen Gegenpapst
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