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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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keiner gefolgt. Aber sie suchen dich. Als ich die Bewaffneten gesehen habe,
     wußte ich, du bist geflohen, und bin hierhergekommen.«
    Eine brüchige Stimme sagte: »Es tut mir leid.«
    Sie wendeten die Köpfe. Der Greis trat hinter der Hütte hervor. Das weiße Haar fiel ihm lang über die Schultern. Seine grünen
     Augen blickten ernst. Er stand aufrecht, trotz seines hohen Alters, und sah Adeline an. »Kannst du mir vergeben?«
    Mutter sagte kein Wort. Sie wurde totenblaß.
    »Ich habe große Schuld auf mich geladen. Ich weiß, ich habe dir sehr weh getan. Bitte vergib mir.«
    Mutter wisperte: »Nemo, mußte er kommen? Mußte das sein? Du weißt, ich liebe dich. Du hast meinen Peiniger damals befreit,
     das habe ich nun begriffen, und auch wenn es schmerzt, ich habe es dir verziehen. Aber muß er mich heute wieder quälen?«
    Der Greis senkte den Blick. »Du glaubst nicht, daß ich ein anderer geworden bin. Aber ich habe mich verändert. Ich weiß jetzt,
     was Vergebung ist. Ich habe zwanzig Jahre in Kroatien zugebracht, um Schaden abzuwenden und aus der reinen Kirche eine Kirche
     der Liebe zu machen.«
    Sie wendete sich ab.
    »Du glaubst es mir nicht?« Er nickte. »Das ist dein Recht, Adeline.«
    Sie schwieg.
    Nun blickte der Greis zum Vater. Er sagte: »Ich habe die Gräber deiner Eltern gefunden. Ich habe weiße und rote Rosen darauf
     gepflanzt.«
    Vater sagte nichts, er schöpfte Atem, und sein Kinn zitterte dabei.
    Mathilde schrak zusammen. Der Greis trat auf sie zu! Warum sah er sie so durchdringend an? Was wollte er von ihr? »Ihr wollt
     reden«, sagte sie und wich zurück. »Meinetwegen. Diese ganze Geschichte ist eure Sache. Ich gehe nach dort drüben, zum anderen
     Ufer, und lasse euch allein.«
    |463| Vater sagte: »Bleib. Verstehst du nicht?« Seine Stimme bebte. Er trat neben den Greis und legte die Hand auf seine Schulter,
     eine Begrüßung unter Vertrauten. »Ich habe dir versprochen, daß ich dir die wahre Geschichte deines Vaters erzähle, Mathilde.
     Nun, da du seine Geschichte kennst, willst du ihn gleich wieder verlassen?«
    Sie starrte den Greis an.
    »Ich bin nicht gekommen, um etwas für mich zu erlangen«, sagte Amiel. »Ich bin gekommen, um weiterzusagen, was ich als das
     wahre Mysterium erkennen durfte. Das Gottesgeheimnis, das Wunder, das Gott auf dieser Erde eingepflanzt hat: Es ist die Liebe.
     Es ist die Vergebung.« Er stellte sich vor den Bienenkorb und rührte an das zerlöcherte Geflecht.
    Vater sagte: »Der Herr ist mein Hirte, nichts schadet mir.«
    »Er hat mich an einen Platz mit frischem Gras geführt«, sagte Venk.
    Amiel sagte: »Und gibt mir köstliches Wasser.«
    Da trat Mutter neben den Greis. »Er hat meine Seele mit Gutem beschert.«
    Amiel wendete sich ihr zu. Er biß sich auf die Lippen, und sein altes Gesicht verzog sich. Auch sie sah ihn an.
    Etwas geschah mit Amiel, während die Mutter ihn anblickte. Er wurde ruhig. Seine Wangen glühten, zugleich aber entspannte
     sich sein Mund. Er lächelte zaghaft, und in seinen Greisenaugen sammelten sich Tränen.
    Amiel hatte Vergebung erfahren.

|465| Der wahre Kern der Geschichte
    Als ich Kind war, haben meine Eltern eine Puppenbühne gebaut. Meine Mutter malte dazu Szenenhintergründe, die man während
     des Stücks austauschen konnte, und nähte eigene Puppen, an die ich mich heute noch erinnere. Die Eltern führten vor Horden
     von Kindern Puppenstücke auf. Die Puppen waren für mich lebendig. Sie waren nicht erfunden, ihre Probleme waren nicht erfunden.
     Sie waren echt.
    War ein Stück vorüber, bin ich mitunter zur Bühne gerannt und habe hinter die Kulissen geschaut. Ich wollte aus dem Traum
     aufwachen und staunen. Wenn Sie hinter die Bühne dieses Romans schauen wollen – herzlich willkommen im Nachwort. Seien Sie
     gewarnt: Die Puppen hängen hier leblos über Hilfsstangen, und Sie sehen die Pinselstriche auf den Hintergrundbildern. Es ist
     völlig in Ordnung, das Buch an dieser Stelle zuzuklappen und sich für das ausdauernde Lesen mit einem Spaziergang in der Sonne
     zu belohnen.
     
    Was die Magier so taten
    Sie wollen es wissen? 1337 fielen tatsächlich Heuschrecken über Süddeutschland her und sorgten für eine verheerende Hungersnot.
     Am 5. Februar 1337 färbte sich aufgrund einer Mondfinsternis der Mond blutrot, und am 22. Februar 1337 verdunkelte eine große
     partielle Sonnenfinsternis die Erde. Im Mittelalter konnte man so etwas vorhersagen, wenn man sehr gebildet war und die richtigen
    

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