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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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»Ich bin hier, um dich zu warnen, Vater! Um dir zu helfen!«
    »Mich warnen willst du.«
    Sie ging auf die drei Männer zu. Einer von ihnen trug eine Glatze, ein Mann mit baumstarken Armen, vielleicht war es der,
     den sie suchte. Da nahm der, der zuletzt gesprochen hatte, ein Beil von einem Tisch. Sie erstarrte. Etwas stimmte hier nicht.
     Waren das wirklich Fleischhacker?
    Fliegen surrten über dem Gekröse und den blutigen Häuten auf den Fleischbänken. Ihr schwindelte vor Angst. Die Halle war tagsüber
     von Verkaufsgeschrei erfüllt. Jetzt aber war sie düster und still, bis auf das Lohen der Fackel, bis auf die wenigen Worte.
     Etwas Abscheuliches geschah hier. Sie hatte hier nichts zu suchen.
    Ihre Knie wurden weich. Was, wenn die Männer sie entdeckten? Eilig ging sie hinter einer Kiste mit Unschlitt in die Hocke.
     Sämtliche Kraft war aus ihr gewichen, ganz so, als sei ihr Untergang unausweichlich. Niemand sieht mich, sagte sie sich, mir
     wird nichts zustoßen.
    »Die Inquisition hat dir Boten nachgesandt. Man weiß Bescheid über dich. Sie werden dich vor Gericht bringen!«
    »Man weiß Bescheid, ja?« Der Mann mit dem Beil trat auf seinen Sohn zu.
    »Was willst du mit dem Beil, Vater?« Der Sohn drehte sich um. Hinter ihm stand der Glatzkopf mit verschränkten Armen. »Du
     wirst mir nichts tun. Du bist Perfectus, du tust nicht einmal Tieren ein Leid an.«
    »Nein? So gut kennst du meine Lehre.«
    Jetzt erkannte sie den jungen Mann. Er war am Tor des Kaiserhofs gewesen und hatte nach Amiel von Ax gefragt. Er sei in Gefahr,
     hatte er gesagt. War also der Mann mit dem Beil Amiel von Ax und dieser dort sein Sohn?
    Amiel sagte: »Ich habe dich gewarnt. Ich habe dir gesagt, daß du das Fleisch beherrschen mußt. Aber du konntest von den Frauen
     nicht lassen. Du bist zur Schande geworden für mich. Wir sind nicht länger Vater und Sohn. Ein Baum, der keine guten Früchte
     bringt, muß umgehauen werden.«
    |141| Der Glatzkopf packte den jungen Mann und drehte ihm die Arme auf den Rücken. Der Jüngling schrie auf. Seine Hüfte zuckte,
     die Beine traten aus, unwillentlich, als seien es selbständige Wesen. Die Stimme war plötzlich hoch und dünn, wie Katzenschreie
     klang es: »Aber ich habe gute Früchte gebracht! Ich habe Jura studiert, wie du, Vater, ich kann dir helfen, der Inquisition
     zu entkommen!« Sein Kinn zitterte, es sah aus, als nickte er und schüttelte gleichzeitig den Kopf.
    »Ich soll in die Arme der heuchlerischen Kirche heimkehren? Das würdest du dir wünschen, nicht wahr? Sie haben dir angst gemacht,
     und du willst es an mich weitergeben. Aber das lasse ich nicht zu.«
    »Zwei Monate, Vater, zwei Monate habe ich keine Frau mehr berührt!« Dem spitzen Aufschrei folgte ein ununterbrochenes Gemurmel.
     »Bittebittebittebittebitte.« Dann warf der Jüngling den Kopf herum und brüllte: »Ich kann es schaffen! Wenn du nicht willst,
     daß ich zur Kirche gehe, dann werde ich nie wieder eine betreten!«
    »Du hast abscheuliche
feresa
gegessen. Du hast gepraßt. Du hast nach der Anerkennung der Welt gesucht. Du hast dich in widerwärtigen Gedanken gesuhlt.«
    »Ich möchte mich ändern. Ich möchte so stark werden, wie du es bist. Das ist nicht einfach!«
    »Mit heldenhaften Erklärungen wirst du deine Seele nicht befreien. Du mußt die Welt hassen. Dein Geist muß die fleischlichen
     Begierden besiegen.«
    »Laß es mich noch einmal versuchen, Vater, noch ein einziges Mal!«
    »Ich mache deiner Schande ein Ende. Ich befreie deine Seele aus diesem widerwärtigen Käfig, sie ist zu schwach dazu, sich
     selbst zu helfen.« Er schlug ihm das Beil in den Hals. Blut spritzte auf Amiels Kutte. Er blieb stehen, ließ zu, daß der Sterbende
     den Kopf an ihn lehnte. »Es ist besser für dich. Deine Qualen führen doch zu nichts.« Der Sterbende rutschte langsam an ihm
     hinunter. »Auch Mose hat rechtmäßig gemordet in Ägypten, als man sein Volk wie Sklaven |142| hielt. Du warst Sklave deiner Begierden, mein Sohn, und nun bist du frei geworden.« Er ließ ihn zum Boden herab, kniete sich
     daneben.
    Eine lange Zeit war es still im Schlachthaus. Nur die Fliegen summten. Dann sagte Amiel, zum Glatzkopf gewandt: »Sorge dafür,
     daß die Leiche verschwindet.« Er stand auf, drehte sich zum Tor hin. Er betrachtete Adelines Kiste. »Komm heraus, Mädchen.«
     Amiel gab seiner Stimme einen freundlichen Klang. »Ich kann dir helfen, zu verstehen, was du gesehen hast.«
     
    Er schob noch ein weiteres

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