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Das Nebelhaus

Das Nebelhaus

Titel: Das Nebelhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Berg
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Ausdruck. Nein, ich hatte erst mal einen anderen Verdacht.«
    »Welchen denn?«
    »Haben Sie schon einmal von den Nans gehört?«
    »Ja, ich wohne im Moment bei ihnen, als eine Art Pensionsgast. Ich bin flüchtig mit dem Sohn des Hauses bekannt. Aber ich kenne den alten Herrn Nan erst seit heute.«
    »Erzählen Sie ihm bitte nicht weiter, was ich Ihnen jetzt sage.«
    »Mache ich nicht.«
    »Ich habe damals geglaubt, dass es seine Frau war.«
    »Nian Nan?«, rief ich verwundert.
    »Ja, so hieß sie wohl. Ich kann mir solche komischen Namen nicht merken. Die war mindestens so verrückt wie diese Leonie Dingsda, nur auf eine andere Art. Hat sich oft in ihrem Schuppen eingesperrt. Keiner durfte da rein, auch der Alte nicht, nicht einmal ihr Sohn. Ich bin mal rübergegangen, um sie was zu fragen, da war sie gerade im Schuppen. Ich habe geklopft und bin rein, und da stürzte die Nan wie eine Irre auf mich zu und schob mich raus. Dabei beschimpfte sie mich in asiatischem Kauderwelsch. Beschimpft, ja, da bin ich mir sicher, dabei konnte sie doch Deutsch. Ich war nicht lange genug drin, um etwas erkennen zu können. In dem Schuppen waren überall Stellwände aus Holz aufgestellt, wissen Sie, wie in einem Irrgarten, die sollten wohl das Wichtigste verdecken, und das haben sie ja auch. Aber gerochen habe ich was – Chemikalien noch und nöcher, von dem Gestank war ich noch nach zehn Minuten ganz duselig, und die Nan war da jeden Tag mehrere Stunden drin, sogar sonntags. Jetzt kommt’s: Wissen Sie, was die da drin gemacht hat?«
    »Nein. Was denn?«
    »Sie hat Tiere geschlachtet.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, ganz bestimmt. Hier auf der Insel sind immer mal wieder Katzen und kleine Hunde verschwunden, die hat sie gefangen gehalten, geschlachtet und dann in chemischen Bädern aufgelöst.«
    Das war der unglaublichste Tratsch, den ich je gehört hatte. Trotzdem blieb ich freundlich und aufmerksam, weil ich die Nachbarin vielleicht noch als redselige Auskunftei gebrauchen konnte.
    »Warum sollte Frau Nan so etwas tun?«, fragte ich.
    »Na, die Asiaten essen Hunde und Katzen, das weiß man doch. Und die Knochen musste sie ja irgendwie wegschaffen. Wäre aufgefallen, wenn sie die vergraben hätte, also hat sie die chemisch beseitigt.«
    »Und welche Rolle hat Herr Nan bei der Sache gespielt?«
    »Gar keine, glaube ich. Haben Sie den Garten gesehen? Menschen, die einen solchen Garten mit ihren eigenen Händen hervorbringen, haben eine gute Seele. Er ist ein komischer Kauz, das ist wahr. Aber mit so einer Frau, wen wundert’s, dass man da komisch wird? Die ist immerzu über die Insel geschlichen, zu den seltsamsten Uhrzeiten. Unheimlich war die mir. Ich sage Ihnen, die hatte ein böses Wesen.«
    Innerlich schüttelte ich den Kopf, dennoch nahm ich mir, wenn auch widerwillig, die Zeit, kurz darüber nachzudenken.
    »Wenn Frau Nan im Schuppen Hunde und Katzen gefangen gehalten und geschlachtet hat, wieso war kein Bellen und Mauzen zu hören?«, fragte ich.
    Die Witwe Bolte wirkte nicht so, als wäre dieser Einwand prioritär zu behandeln, allerdings war ich mir sicher, dass sie im Laufe der nächsten Tage eine befriedigende Erklärung für sich finden würde, und wenn sie lautete, dass die Tiere im chloroformierten Zustand dahinvegetieren mussten, bis ihr letztes Stündlein geschlagen hatte.
    Vorerst jedoch zog sie es vor, ihre Erzählung an einem anderen Punkt fortzusetzen.
    »An dem Tod des armen Katers ist die Nan wahrscheinlich nicht schuld, das war dann doch eher diese Leonie Dingsda. Ich komme jetzt nicht auf ihren Nachnamen.«
    »Korn. Hatten Sie mit ihr zu tun?«
    »Nein, mit ihr nicht, Gott sei Dank. Nur mit der jungen Frau mit den bunten Haaren, eine grässliche Person, so was von respektlos.« Sie spie das Wort noch einmal aus. »Respektlos. Der junge Nan, sosehr ich ihn mag, denn er war immer freundlich zu mir, hat einen grässlichen Geschmack, was Frauen angeht.«
    Ich war beleidigt, obwohl ich mich nicht angesprochen fühlte. Ich hatte nichts mit Yim, und seine Annäherungsversuche beschränkten sich bisher auf Schokopralinen und kambodschanische Küche. Trotzdem nahm ich der Witwe Bolte diese Bemerkung persönlich übel.
    »Heißt das, Yim und Yasmin Germinal waren … ein Paar?«
    »Ach, was weiß ich schon?«, erwiderte sie in einem Anfall von Hellsicht, der sehr spät und gewiss nicht häufig kam. »Die jungen Leute heutzutage, da blickt doch keiner mehr durch – und bei einer mit solchen Haaren schon gar nicht. Das war

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