Das Nest des Teufels (German Edition)
angemeldet, natürlich auf Kosten seiner Firma. Auf Veranstaltungen dieser Art zeigte er sich gern, dort traf er Gleichgesinnte. Make Hannula saß neben Syrjänen und tippte pausenlos auf seinem lautlos geschalteten Kommunikator.
Es war mir tagelang unmöglich gewesen, Mikes Mail zu beantworten. Ich hatte geglaubt, nie mehr etwas von ihm zu hören, und nun kam er nach Finnland. Es erschien mir demütigend, ihn um Entschuldigung zu bitten, erst recht, da er es verlangte.
«Die eigenen Fehler zu erkennen und aus ihnen zu lernen ist ein fundamentaler Bestandteil der Professionalität eines Sicherheitsexperten. Jeder macht gelegentlich Fehler, kein Mensch ist perfekt. Im Grunde verraten unsere Fehler mehr über uns als unsere Erfolge», hatte Mikes Stimme in meinem Kopf gesagt, ein paar Tage nach dem Eintreffen seiner Mail. Eine andere Stimme hatte sie übertönt. «Der Kerl versteht es, Scheiße zu reden», hatte Laitio gebrummt.
Doch auf der Bühne der Finlandia-Halle war Mike so überzeugend wie während meiner Ausbildung. Gegen meinen Willen verwandelte ich mich allmählich wieder in die Verehrerin, die an der Sicherheitsakademie Queens nahezu jeden von Mikes Sätzen auswendig gelernt hatte. Einige Kurskollegen hatten seine Methoden in Frage gestellt und über seine Übervorsichtigkeit gelacht. Ich nie.
Nachdem ich die Mail erhalten hatte, war ich trotzig geworden wie ein Kind und hatte mich darauf versteift, sie nicht zu beantworten. Warum musste man immer erwachsen und vernünftig sein? Es war mir zuwider, mich zu entschuldigen, schließlich hatte Mike
mich
beleidigt und nicht umgekehrt. Zu guter Letzt beschloss ich, Frau Voutilainen um Rat zu bitten. Sie besaß Lebenserfahrung und war zudem fähig, sie auch zu nutzen. Außerdem musste ich sie ohnehin besuchen, um das David-Gemälde von Mary Higgins bei ihr unterzubringen. Bei einer Kanne Tee, Lorchel-Brennnessel-Quiche und Moosbeerkeksen erzählte ich ihr von dem Zwischenfall. Natürlich musste ich ihr manches verschweigen, zum Beispiel die Beziehung zwischen Syrjänen und Gezolian, die ich Mike gegenüber in meiner Wut erwähnt hatte, aber sie bekam fast die ganze Geschichte zu hören.
«Der Mann scheint ein großes Ego zu besitzen», sagte sie, als ich fertig war.
«Nicht ohne Grund. Er versteht sein Handwerk.»
«Was glaubst du, wie er sich deine berufliche Entwicklung vorgestellt hat?»
«Er hat sicher angenommen, ich würde Leibwächterin der Präsidentin oder einer anderen hochrangigen Person. Selbst Helena Lehmusvuo war keine Ministerin, sondern nur eine einfache Abgeordnete.»
«Warum ist dir sein Urteil so ungemein wichtig? War eure Beziehung mehr als die zwischen Schülerin und Lehrer?»
Ich starrte Frau Voutilainen verdattert an. «Mike würde nie eine Affäre mit einer seiner Schülerinnen anfangen. Wir Kursteilnehmer wurden auch davor gewarnt, uns miteinander einzulassen, aber daran haben wir uns nicht immer gehalten», antwortete ich und erinnerte mich an eine Party, bei der ich mit Charlie Davis herumgemacht hatte. Glücklicherweise war daraus keine längere Beziehung geworden.
«Warst du in ihn verliebt?»
«In Mike? Nein! Er war nur … er war jemand …»
«Zu dem du aufschauen konntest. Und jetzt ist er von seinem Podest gefallen, weil er deine Entscheidungen nicht sofort gebilligt hat.»
«Und obendrein hat er sich garantiert liften lassen!», rief ich und brachte die alte Dame damit zum Lachen.
«Denk darüber nach, ob die Sache dich quält. Wenn nicht, antworte ihm nicht. Wenn ja, melde dich bei ihm. Aber, meine Liebe, trag den Kopf hoch. Dieser Mike scheint nicht alles über deine Kindheit zu wissen, oder bist du bei der Aufnahme danach gefragt worden?»
«Ich habe nur gesagt, ich sei Waise und bei meinem Onkel aufgewachsen. Die Tochter eines Mörders hätten sie wohl nicht zu dem Kurs zugelassen.»
Schließlich hatte ich Mike eine kurze Mail geschickt, in der ich ihm schöne Tage in Finnland wünschte und erklärte, ich wüsste noch nicht, in welchem Umfang meine Arbeitgeberin mich während seines Aufenthalts brauchen würde. Ich würde mich aber noch einmal melden. Da ich von Mike keine Antwort bekam, kümmerte ich mich nicht mehr um die Sache. Falls ich doch noch Lust hatte, ihn zu treffen, konnte ich ihm ja im Hotel eine Nachricht hinterlassen, hatte ich gedacht.
Dass Syrjänen dann unbedingt an diesem Seminar teilnehmen und auch meine Teilnahme bezahlen wollte, hatte mich allerdings gewundert. Als ich den Dienst bei
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