Das Nest des Teufels (German Edition)
der viele wichtige Persönlichkeiten kennt und angeblich Putins Anglerfreund ist. Das ist natürlich nicht die tollste Karriere der Welt, aber in Finnland ist es nicht leicht, sich als Bodyguard über Wasser zu halten, weil es bei uns so wenige gibt, die Personenschutz brauchen. Allerdings könnte sich das ändern, wenn die Einkommensunterschiede sich weiter vergrößern», schloss ich und versuchte zu lächeln. Ich goss mir Tee nach, um meine Hände zu beschäftigen, aber auch, weil mir der Mund trocken geworden war.
«So ist dein Leben also verlaufen», sagte Mike schließlich. «Das hätte ich von dir nicht erwartet. Du machst einen idiotischen Fehler, und anschließend vergeudest du alles, was du gelernt hast, in zweitrangigen Jobs. Ich bin schwer enttäuscht, Hilja. Ich hatte geglaubt, unter allen meinen Schülern wärst du diejenige, die vor keiner Gefahr zurückschreckt.»
17
Ich musste eine Weile schlucken, bevor ich meine Gedanken wieder beisammen hatte. Natürlich hatte ich genau das verschwiegen, was Mike hören wollte.
«Ich habe weder Kinder aus brennenden Häusern gerettet noch mich schützend zwischen die Präsidentin und einen Attentäter geworfen. Aber du hast uns doch immer wieder erklärt, wir sollten nicht unbedingt Heldentaten vollbringen, sondern eher verhindern, dass Situationen entstehen, in denen man Heldentaten braucht. Genau das habe ich versucht zu tun.»
Mike trank von seinem Tee. Seine Hände waren braun wie im Sommer, seine Arme unbehaart, dabei erinnerte ich mich, dass sie früher von einem dunklen Flaum bedeckt gewesen waren. Vielleicht ließ er sich mittlerweile die ergrauenden Körperhaare entfernen, damit sie sein Alter nicht verrieten.
«Du warst immer misstrauisch, sogar fast zu sehr, aber du hattest keine Angst vor Gefahren. Wie kann ein einziger Fehler dich derart lähmen? Oder ist das typisch für euch Finnen? Wer gar nichts tut, macht keine Fehler.»
«Was hätte ich denn machen sollen?», rief ich. «Du hast uns doch nicht zu Privatdetektiven ausgebildet, sondern zu Sicherheitskräften!»
«Hast du nicht einmal versucht herauszufinden, wer in Wahrheit hinter dem Mord an Nuutinen steckte? Oder hast du dich mit der offensichtlichen Erklärung zufrieden gegeben, dass es ihr Exfreund war, dieser Paskewitsch?»
«Nein! Und es war auch gar nicht Paskewitsch, sondern sein Konkurrent Wasiljew, der seine Killer auf Anita angesetzt hatte. Aber das spielt überhaupt keine Rolle, denn Wasiljew ist bei einer Explosion ums Leben gekommen und konnte folglich ohnehin nicht zur Verantwortung gezogen werden.»
Sobald mir diese Worte entschlüpft waren, bereute ich sie. Ich verhielt mich wie ein Anfänger im Drogenhandel, der vor einem als Kunde auftretenden Polizisten sein Angebot preist und sich damit selbst überführt. Mike lächelte wieder sein seltsames Lächeln, das weder in den Mundwinkeln noch um die Augen Fältchen entstehen ließ.
«Was du mir vorhin erzählt hast, war also eine jugendfreie Fassung deiner Aktivitäten in den letzten Jahren. Und wie lautet die echte Version?»
In all den Jahren seit meiner Ausbildung hatte ich geglaubt, dass es einen Menschen auf der Welt gab, auf den ich immer zählen konnte, nämlich Mike Virtue. Mike hatte mich zu derjenigen gemacht, die ich war, er hatte mich all das gelehrt, worauf ich stolz gewesen war. Ich hatte seine Weisheiten heruntergebetet wie Mantras, sie hatten mich oft aus einer kniffligen Situation gerettet. Dennoch war ich nicht mehr bereit, ihm alles zu erzählen.
«Es gibt keine zweite Version, was ich dir erzählt habe, entspricht der Wahrheit. Ich habe zwar den Verdacht, dass der Vater meiner jetzigen Auftraggeberin im Schutz seines Diplomatenstatus radioaktive Isotope verschachert, die er in Atomkraftwerken aus der Sowjetzeit geklaut hat, aber das werde ich wohl nie beweisen können. Beweise zu finden ist ja auch gar nicht meine Aufgabe, dafür ist die Polizei da. Du hast doch selbst gesagt, Personenschützer klären keine Verbrechen auf, sondern verhindern sie. Vielleicht sollte ich jetzt in die Fifth Avenue zurückkehren und das tun, wofür ich bezahlt werde. Gut bezahlt.»
Ich stand auf. Die Räder unter meinem Stuhl quietschten fürchterlich. Mike seufzte.
«Willst du nicht sehen, wie wir das Gebäude renoviert haben? Der Trainingsplatz ist richtig modern, ebenso die Schießbahn, und die computertechnischen Möglichkeiten sind um Klassen besser als zu deiner Zeit.»
«Diesmal nicht. Auf Wiedersehen.» Ich
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