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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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aufgehalten hatten. Beim raschen Durchsehen stellte sie fest, daß außer einer Handvoll alle ein lupenreines Alibi besaßen. Eine aus dieser Handvoll war Deborah, die allein voraus zum Bus gegangen war, während Lindsay mit Jane redete. Nachdem sie Willows Zelt verlassen hatte, hatte sie keine mehr gesehen.
    Lindsay bemühte sich, die Folgen dieser Tatsache zu verdrängen und schlenderte zum Bus zurück. Zum ersten Mal seit Stunden sah sie auf ihre Armbanduhr und stellte entsetzt fest, daß es mittlerweile fast acht Uhr geworden war. Sie warf die Zettel mit den Alibis in eine Ecke und eilte wieder hinunter zur Telefonzelle. Zuerst vergewisserte sie sich in der Redaktion, daß es keine Probleme gab. Dann rief sie Cordelia an und erfuhr vom Anrufbeantworter, daß sie zum Abendessen ausgegangen war. Sie hinterließ eine Nachricht und wählte Riganos Nummer.
    »Na, was macht unser Geschäft?« fragte er sofort.
    »Dem geht’s gut. Die Berichte über die Alibis hab’ ich bis morgen alle beisammen, und dann muß ich noch ein recht interessantes Band abschreiben. Morgen treff ich mich mit William Mallard. Brauch’ ich bei ihm Ihre Hilfe?«
    »Das glaube ich nicht. Er gibt schon die ganze Zeit Interviews. Die Sorte von heuchlerischem Schwachsinn – viel bewundert, sehr vermißt, der eiserne Hüter des Vereins.« Sie konnte sich den Ausdruck des Ekels auf seinem Gesicht ausmalen und wagte ein kleines Experiment.
    »Irgendwelche Gerüchte über finanzielle Betrügereien?« erkundigte sie sich.
    »Was meinen Sie damit, Miss Gordon?«
    »Kommen Sie, Kommissar. Sie leben hier. Ich bin nur eine Besucherin. Es muß doch darüber geredet worden sein.«
    »Ich hörte, es hätte da eine Meinungsverschiedenheit gegeben, es wäre jedoch alles geklärt worden. Die Person, mit der Sie zuerst reden sollten, ist nicht Mallard, sondern ein ortsansässiger Bauer namens Carlton Stanhope. Er hat sie beide nicht sonderlich gemocht.«
    »Genau so einen Kerl suche ich, um die Sache zu knacken.
    Glauben Sie, er ist zu einem Interview bereit?« fragte Lindsay.
    »Ich weiß nicht. Er steckt nicht so tief im Dreck wie die meisten hier. Und mir gegenüber war er auch schon öfter hilfsbereit. Vielleicht läßt er sich überreden, privat mit Ihnen zu plaudern. Da er aus diesem Steuerzahler-Verein ausgetreten ist, ist er vielleicht etwas gesprächiger als die anderen. Möglicherweise erzählt er Ihnen auch mehr als einem Polizisten. Sie könnten das dann an mich weiterleiten – ganz inoffiziell, versteht sich.«
    »Sehen Sie eine Chance, ihn zu überreden?« Wer A sagt... dachte Lindsay.
    Am anderen Ende der Leitung herrschte plötzlich das Schweigen im Walde. Lindsay drückte die Daumen und betete. Dann ertönte Riganos Stimme wieder: »Ich ruf ihn heute abend an und mach’ etwas ab. Ich bin sicher, wenn ich ihn darum bitte, wird er Sie nach Kräften unterstützen. Vielleicht freut er sich ja sogar, eine richtige Journalistin kennenzulernen. Was ist mit morgen vormittag um halb elf in der Halle des George Hotels in Fordham?«
    »Kommissar Rigano, Sie sind auf dem besten Weg, ein Freund fürs Leben zu werden. Das paßt ausgezeichnet. Bis dann also.«
    »Oh, es gibt keinen Grund, weshalb ich auch dort sein sollte. Aber kommen Sie um zehn mit dem Material, das Sie bis jetzt zusammengesammelt haben, zu mir ins Büro. Gute Nacht, Miss Gordon.«
    Als Lindsay schließlich ins Camp zurückkehrte, war sie erschöpft und dem Verhungern nahe. Sie ging zu Janes Zelt und fand sie in ein Gespräch mit Nuala vertieft. Jane sah auf, grinste sie an und sagte: »Soviel ich weiß, ist Cara bei Josys Kleinen, und Deborah ist gerade dabei, für dich etwas zu kochen. Du schaust aus, als könntest du’s brauchen. Nun geh schon zum Bus und iß was! Und dann ab in die Heia – das ist eine ärztliche Vorschrift!«
    Lindsay marschierte zum Bus zurück und bemerkte plötzlich, daß es ihr immer schwerer fiel, sich ein Leben außerhalb des Friedenscamps mit richtigen Häusern und all den Annehmlichkeiten vorzustellen. Aber als sie die Tür öffnete, waren diese Gedanken mit einem Schlag vergessen. Der Duft, der ihr zur Begrüßung in die Nase stieg, versetzte sie in die Vergangenheit. »Bohnen mit Speck«, stöhnte sie.
    Auf Deborahs Lippen breitete sich ein Lächeln aus. »Judith ist heut’ vormittag mit mir beim Supermarkt vorbeigebraust. Um mich bei dir zu revanchieren, ist mir eben nichts anderes eingefallen, als dir dein Lieblingsessen zu kochen. Nach allem, was du

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