Das Nest
für mich getan hast.«
»Der absolute Traum«, erwiderte Lindsay. »Ich bin am Verhungern. Geht’s schon los?«
Deborah rührte um und kostete eine Bohne, ob sie schon weich genug waren. »Nicht ganz. Ungefähr noch ’ne Viertelstunde.«
»Auch gut. Dann kannst du mir in der Zwischenzeit deine Version vom Ablauf der Ereignisse in der Mordnacht erzählen – es betrifft die fragliche Zeit, für die du kein Alibi hast. Magst du darüber reden?«
Deborah wandte dem Herd den Rücken zu und setzte sich an den Tisch. Sie sah müde aus. Lindsay spürte Mitleid, ging zum Kühlschrank und nahm zwei Dosen kühles Bier heraus. Die beiden Frauen öffneten sie und prosteten sich schweigend zu. Dann begann Deborah: »Ich fürchte, du wirst nicht sonderlich begeistert sein. Nachdem wir uns getrennt hatten, kam ich hierher und überzeugte mich, daß Cara friedlich schlief. Ich kochte mir gerade Teewasser, als mir einfiel das ich noch mit Robin reden wollte. Er wohnt zur Zeit in meinem Haus. Ich hab’ ihm angeboten, umsonst bei mir zu wohnen, wenn er mir meine Rohrleitungen verlegt. Mit Wasser hab’ ich mich noch nie sonderlich gut ausgekannt. Das war die einzige Arbeit beim Renovieren, die ich immer gern an andere delegiert habe. Auf jeden Fall wollte ich ihn fragen, ob er mir nicht eine vom Heißwassersystem unabhängige Dusche einbauen kann.«
»Ich hielt es für das beste, es ihm gleich zu sagen, bevor er womöglich irgend etwas Falsches installiert.«
Lindsay unterbrach sie: »Aber du hast doch gar kein Telefon.«
»Das nicht. Aber wenn ich mit Robin sprechen will, ruf ich bei den Lees an. Sie sind die Besitzer des Bauernhofs am Ende der Straße. Morgens schicken sie Rob mit der Milch die Nachricht hinauf, mich zu einer bestimmten Zeit unter einer bestimmten Telefonnummer anzurufen. Es funktioniert ganz gut. Also hab’ ich mich auf den Weg zum Telefon gemacht.«
»Zu welcher Kabine bist du gegangen?«
»Zur falschen, von unserem Standpunkt aus. Zu der, die näher an Brownlow Common Cottages liegt.«
»Werden sich die Lees an die Uhrzeit erinnern?«
»Eben nicht. Es ging niemand ran. Sie müssen den Abend auswärts verbracht haben. Also bin ich auf kürzestem Weg zurück und hab’ den Kessel wieder aufs Feuer gestellt.«
»Hast du irgend etwas gesehen? Oder gehört?«
»Eigentlich nicht. Beim Zaun drüben war es ohnehin stockfinster. Ich bildete mir ein, ich hätte Crabtree mit seinem Hund gesehen, aber sie waren so weit weg, daß ich es nicht mit Sicherheit sagen kann.«
»Autos sind keine vorbeigefahren?«
»Ich kann mich an keine erinnern, aber wahrscheinlich hätte ich sie auch gar nicht bemerkt. Es wäre nichts Ungewöhnliches daran gewesen. Spät in der Nacht weichen viele Leute auf diese Wege aus, wegen der Alkoholkontrollen auf den Hauptstraßen.«
Lindsay zuckte die Schultern. »Ach Debs, ich weiß nicht. Ich krieg’ die Sache einfach nicht in den Griff.«
Deborah lächelte schwach. »Das kommt schon, Lin, glaub’ mir. Na ja, ich hoffe es zumindest – um meinetwillen.«
Später, gestärkt von einer großen Pfanne Speck und Bohnen, machte Lindsay sich an die Arbeit. Sie brauchte mehr als eine Stunde, um das Band mit ihrer Reiseschreibmaschine abzuschreiben. Dann widmete sie sich der noch langwierigeren Aufgabe, ihre Aufzeichnungen über die Alibiangaben der Frauen ins Reine zu tippen. Es war weit nach Mitternacht, als sie die Schreibmaschine in ihre Hülle stecken und sich wieder Deborah zuwenden konnte, die mit einem neuen feministischen Roman in einer Ecke lungerte.
»Du schaust aus wie eine Frau, die umarmt gehört«, meinte Deborah mitfühlend.
»Ich fühl’ mich aber wie eine Frau, die mehr als nur umarmt gehört.« Lindsay setzte sich zu ihr. Deborah legte ihre Arme um sie und massierte sanft die verspannten Muskeln in ihrem Nacken.
»Du brauchst eine Massage«, erklärte sie. »Soll ich?«
Lindsay nickte. »Bitte. Nie wieder hat jemand meinen Rücken so gerubbelt wie du.«
Sie machten das Bett, dann streifte Lindsay ihre Kleider ab und legte sich mit dem Kopf nach unten auf die festen Polster. Deborah holte eine kleine Flasche Massageöl aus dem Kasten. Sie verrieb das duftende Öl in ihren Handflächen und begann, Lindsays steife Muskeln zu kneten.
Lindsay spürte, wie sie sich entspannte und die Wärme von Kopf bis Fuß ihren Körper durchflutete.
»Besser?« fragte Deborah.
»Hmmm«, erwiderte Lindsay. Ihr war die körperliche Nähe zu Deborah bewußt geworden. Sie rollte
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