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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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jeden Fall, um es kurz zu machen: Ich war entsetzt, als ich nach Hause kam und diese Frauen mit ihren Zelten auf unserem Common sah. Ich meine, Brownlow Common war immer ein Ort, wo die Leute mit ihren Hunden spazieren gehen, mit ihren Kindern spielen konnten. Aber wer würde im Ernst daran denken, mit der eigenen Familie vor so einem Schandfleck spazieren zu gehen? Das viele Plastik und die irdenen Kochtöpfe und die Lesben, die sich bei jeder Gelegenheit umarmen und abschlecken. Total grotesk für die unter uns, die dauernd daran denken müssen, wie herrlich ruhig die Spaziergänge dort früher waren. Außerdem, Sie können über die Amis sagen, was Sie wollen. Aber ihr Stützpunkt hat Fordham den Wohlstand gesichert. Er hat die Einheimischen vor den ärgsten Auswirkungen der Wirtschaftskrise bewahrt. Und das ist auch nicht zu verachten!«
    Er legte eine Pause ein, um Atem zu holen, Kaffee zu trinken und nachzudenken. Lindsay schaltete sich ein. »Dann war es Rupert Crabtree persönlich, der Sie angeworben hat?«
    »Ich weiß nicht, ob angeworben der richtige Ausdruck ist. Das klingt so nach Spionage. Ich war mit meinen Eltern zum Abendessen im Old Coach Restaurant, und dort trafen wir Rupert und Emma – Mrs. Crabtree, wissen Sie? Jedenfalls haben wir dann alle gemeinsam Kaffee getrunken. Emma beschwerte sich, wie schrecklich dieses gräßliche Zeltlager gleich vor der Haustür sei und Rupert erklärte allen, die zuhören wollten, daß er etwas dagegen unternehmen werde. Jeder, der noch Manns genug sei, würde dieser neuen Organisation beitreten, um die Frauen und ihr Camp endgültig loszuwerden.«
    Lindsays Blick glitt versonnen über den breitschultrigen und gutaussehenden Mann. Es würde ihr Spaß machen, diese Selbstsicherheit bis ins Mark zu erschüttern. Aber nicht heute. »Das hört sich nach hartem Durchgreifen an«, bemerkte sie lediglich.
    »Nein, nein, so war das nicht gemeint. Der Verein operiert grundsätzlich nur innerhalb der Gesetze. Wir haben die lokale Presse, Plakate und Flugblätter eingesetzt, um die öffentliche Meinung gegen das Camp zu mobilisieren. Und natürlich haben Rupert und ein paar andere Anwälte Methoden entwickelt, sie unter Anwendung von Statutenregelungen und mit zivilen Aktionen vor Gericht zu bringen. Immer, wenn sie eine große Demonstration ankündigten, haben wir uns bemüht, eine Gegenveranstaltung auf die Beine zu stellen und die Medien darüber zu informieren.«
    »Mit anderen Worten, friedlicher Protest innerhalb des gesetzlichen Rahmens?«
    »Absolut.«
    »Also eigentlich genau wie die Friedensaktivistinnen, nicht wahr?« Stanhopes Blick ausweichend, drückte Lindsay ihre Zigarette im Aschenbecher aus. »Mich interessieren dann noch die inneren Auseinandersetzungen des Vereins.«
    Plötzlich machte er einen sehr vorsichtigen Eindruck. »Wir möchten nicht, daß dieses Thema öffentlich bekannt wird.«
    Lindsay zuckte die Schultern. »Aber das ist es doch schon. Alle möglichen Gerüchte schwirren in der Gegend herum«, übertrieb sie. »Es ist besser, diese Dinge beim Namen zu nennen, besonders wenn auch die ausländische Presse mitschnüffelt – sonst fangen die gar noch an, in relativ unbedeutende Dinge alles Mögliche hineinzuinterpretieren. Sie wollen doch nicht den Eindruck erwecken, Sie hätten etwas zu verbergen?«
    Stanhope nahm die Kanne und deutete auf Lindsays Tasse. »Noch Kaffee?« versuchte er, Zeit zu gewinnen. Als Lindsay das Angebot abschlug, goß er sich selbst nach. »Aber ganz so einfach, wie Sie es darstellen, ist es doch auch nicht«, entgegnete er. »Hier geht es um die Untersuchung eines Mordes. Etwas, worüber man noch letzte Woche gedankenlos geplaudert hätte, kann jetzt, nach dem Mord, plötzlich einen ganz anderen Beigeschmack erhalten. Ich weiß, ich wirke oft recht leichtsinnig. Aber in Wirklichkeit geht mir Ruperts Tod sehr nahe. Wir waren uns nicht immer einig – er konnte ganz schön lästig sein, so eingebildet – aber im Grunde war er ein sehr geradliniger Mensch, und das ist etwas, was ich unbedingt respektiere. Ich möchte nicht eine Sache, an der ihm viel lag, zum Gegenstand öffentlicher Diskriminierung machen.«
    Lindsay stöhnte innerlich auf. Wenn sie etwas überhaupt nicht brauchen konnte, dann waren das Skrupel. Sie mußte wenigstens die morgige Schlagzeile aus Stanhope herauskitzeln. Und das bald, noch bevor Duncan wieder auf das Interview mit Debs pochen konnte. Es war dumm von ihr gewesen zu denken, daß ein von

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