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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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das Programm zusammengestellt hat, ein richtiger Computerfreak ist, was bei einer Verwendung von gleich vier Systemen anzunehmen ist, könnte es etwas diffizil werden. Auf jeden Fall ist ein bißchen Herumhacken zwischendurch eine nette Abwechslung. Wir sehen uns dann in etwa einer Stunde. Du weißt, wo du mich findest?«
    »Sicher, ich hab’s nicht vergessen. Ich bin so bald wie möglich bei dir.« Lindsay legte den Hörer auf, als ihr einfiel, daß sie seit Cordelias wütender Abreise am Montag nicht mehr mit ihr gesprochen hatte. Ihre Gedanken waren zu sehr mit Crabtree und Debs beschäftigt gewesen, um auf die Bedürfnisse der Geliebten Rücksicht zu nehmen. Kein einfacher Anruf erwartete sie da, denn Lindsay wußte, daß sie lügen mußte, was die Ereignisse mit Debs betraf. Das Telefon war kein Medium für Geständnisse. Cordelia würde sich zu Recht vernachlässigt und verletzt fühlen. Besonders, wo Deborah Patterson wieder auf der Bildfläche erschienen war. Bohrende Schuldgefühle ließen sie ihre Taschen nach mehr Kleingeld durchwühlen und rasch ihre Nummer wählen. Beim vierten Läuten schaltete sich der automatische Anrufbeantworter ein. »Scheiße«, murmelte sie vor sich hin, als sie ihrer eigenen Aufforderung zuhörte, eine Nachricht zu hinterlassen. Nach dem Summton zwang sie die gute Laune in ihre Stimme und begann, mit einem – wie immer am eigenen Apparat – leicht idiotischen Gefühl zu sprechen: »Hallo, Liebling, ich bin’s. Es ist Mittwoch nachmittag. Ich ruf nur an, um dir zu sagen, daß ich okay bin. Duncan hat mich auf den Mord angesetzt, wegen meiner guten Kontakte zum Camp, ich hab’ also keinen blassen Schimmer, wann ich wieder zu Hause bin. Wahrscheinlich erst nach dem Begräbnis, oder der Verhaftung, was halt zuerst kommt. Ich versuch’s heute abend noch mal. Hab’ dich lieb. Ciao.« Sie hängte erleichtert ein und machte sich auf den Weg nach Oxford.

DREIZEHN
    Deborah wartete ungeduldig auf Lindsay beim Abschnitt vor Tor Sechs. Die meisten Frauen, die an der Mahnwache teilnahmen, waren bereits anwesend. Der Verkehr auf der Hauptstraße aus Richtung Oxford und die Notwendigkeit, in passendere Kleidung steigen zu müssen, hatten dafür gesorgt, daß Lindsay den Fackelzug versäumte. Aber wie sie sah, waren für eine geschlossene Menschenkette rund um die ganze Raketenbasis ohnehin nicht genug Frauen da, weshalb sie sich mit Lücken von fast fünfzig Metern dazwischen locker um den Zaun verteilten. Langsam aber sicher schwärmten die Trägerinnen, der in der bewölkten Winternacht unruhig flackernden Fackeln, aus.
    Deborah nahm Lindsay bei der Hand und zog sie einige hundert Meter weit über eine schlammige Lichtung neben der Absperrung. Der vereinbarte Posten befand sich an einer Ecke des Zauns neben einem tiefen Abwassergraben. Sie umarmten sich zum Abschied, dann marschierte Lindsay um die Kurve zu ihrem eigenen Standort.
    Sie blickte auf die Basis, wo die Gebäude und Bunker zur Abschreckung des Feindes in Flutlicht getaucht waren – nicht die rote Gefahr, durchzuckte es sie, sondern diese monströse Regierung. Sie drehte sich wieder um und starrte auf den hellen Fleck der nächsten Fackel. Gerade noch konnte sie die Silhouette der Frau erkennen, von ferne drangen die Gesänge schwach an ihr Ohr. Aus Erfahrung wußte sie, daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis sie nach der Methode der stillen Post den Weg zu ihr finden würden. Angenehm überrascht stellte sie fest, daß Polizei und Militär diesmal ausnahmsweise recht spärlich vertreten waren. Journalistinnen hatte sie keine gesehen, vermutete sie aber unten beim Haupttor – diese Gecken wollten sich einfach nicht unnötig die Schuhe schmutzig machen. Sie lächelte gequält. Wenigstens ihr Artikel würde die unnachahmliche Atmosphäre der Authentizität ausstrahlen.
    Aus der Jackentasche nahm sie ihr Feuerzeug und machte es an. Sie hatte vergessen, Debs um eine Fackel zu bitten, aber das tat es auch. Während sie abwechselnd mit dem linken und dem rechten Bein aufstampfte, um den Blutkreislauf in Schwung zu halten, begann sie im Geist ihren Artikel zu strukturieren.
    Plötzlich wurden ihre Gedankengänge von einem kurzen Aufschrei unterbrochen, dem ein klatschender Laut und das Knacken von Ästen unmittelbar folgten. Die Geräusche kamen aus Deborahs Richtung. Bevor sie Zeit hatte nachzudenken, hetzte sie schon zurück um die Ecke und auf die Geliebte zu. In ihrer Panik dachte sie nicht an den Abwassergraben und

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