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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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hinter ihr zugeworfen und sie blieb in absoluter Dunkelheit allein sitzen. Wieder stellte sie eine Frage, die nicht beantwortet werden sollte: »Was geht denn hier eigentlich vor, hä?« Es gab keine Fenster. Wenn sie die Beine ganz lang ausstreckte, berührte sie gerade noch die Tür. Stehen konnte sie fast aufrecht, mit dem Arm aber nicht die andere Seite erreichen. Offenbar war jeder Fluchtversuch zwecklos. Gott sei Dank hatte sie nie unter Klaustrophobie gelitten!
    Lindsay hörte, wie ihr MG gestartet wurde – dieses Geräusch war ihr so vertraut, daß sie es sogar vom Inneren eines Lieferwagens aus erkannte. Das Aufheulen des Lieferwagenmotors übertönte das bekannte Brummen und sie fuhren los. Als der Wagen schlingerte, mußte sie sich an der Bank festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Zu Beginn versuchte sie noch, sich die Anzahl und Art der Kurven einzuprägen, mußte aber bald erkennen, daß das unmöglich war. Die Dunkelheit verhinderte jegliche Orientierung. Mit der freien Hand durchstöberte sie ihre Jackentaschen nach brauchbaren Utensilien. Ein Taschentuch, etwas Geld (sie schätzte ungefähr 30 Pfund), ein Päckchen Zigaretten und ihr Feuerzeug. Nicht gerade das Graf-von-Monte-Christo-Fluchtwerkzeug, dachte sie bitter. Warum klappte es in der Realität nie so wie im Roman? Wo waren ihr Schweizer Militärmesser und ihr tragbares Büro mit Schere, Hefter, Tesafilm und automatischem Metallmeßband? In ihrer Handtasche, fiel ihr ein, am Boden des MG. Was soll’s, entschied sie, auch wenn sie versucht hätte, die Sachen mitzunehmen, wäre es ihr kaum gelungen.
    Die Reise dauerte jetzt schon länger als eineinhalb Stunden. Debs hatte sich bestimmt gefragt, wieso sie nicht aufgetaucht war, überlegte Lindsay. Und Cordelia würde bald sauer werden, wenn sie nicht zur vereinbarten Zeit zu Hause eintraf. Wahrscheinlich dachten beide, sie wäre bei der jeweils anderen und fühlten sich eher betrogen als besorgt – und würden deshalb auch nicht Alarm schlagen. Die Frage, wo genau sie hingebracht wurde, beschäftigte sie immer mehr. Wenn es das Zentrum Londons war, sollten sie mittlerweile da sein, unter den Voraussetzungen des Nachtverkehrs. Dagegen sprach aber das fehlende und im Stadtverkehr übliche oftmalige Stehenbleiben und wieder Anfahren. Es mußte entweder eine Autobahn oder eine Bundesstraße sein, auf der sie ohne Unterbrechung dahinrollten. Wenn sie nicht nach London unterwegs waren, konnten sie nur in die entgegengesetzte Richtung fahren. Bristol? Bath? Da kam ihr die Erleuchtung. Cheltenham. Die Zentrale des britischen Geheimdienstes. Ja, die Erklärung paßte wie die Faust aufs Auge.
    Die Bewegungen des Fahrzeugs wurden jetzt unregelmäßiger, sie spürte Kurven und häufiges Abbremsen. Lindsays Armbanduhr zeigte 20:12, als sie anhielten und der Motor verstummte. Von draußen waren undeutliche und gedämpfte Stimmen zu hören, dann gingen die Türen auf. Nachdem sich ihre Augen dem Licht angepaßt hatten, bemerkte sie, daß sie sich in einer Tiefgarage befanden. Gegenüber parkte ihr MG, daneben der rote Fiesta. Stone kletterte hinein und schloß die Handschelle auf, die Lindsay an den Lieferwagen fesselte. Er ließ sie um sein linkes Handgelenk wieder zuschnappen und führte sie auf den Parkplatz hinaus.
    Zu viert marschierten sie in ungeordneter Reihe zu einer Anzahl von Aufzügen. Stone nahm ein kreditkartenförmiges schwarzes Plastikding aus seiner Tasche und steckte es in einen Schlitz, der es verschluckte. Darüber befand sich ein graues Gummikissen. Er preßte seinen rechten Daumen darauf und tippte eine Nummernkombination auf die Tasten in der Konsole. Der Spalt spuckte das schwarze Rechteck wieder aus und die Lifttüren öffneten sich für sie. Dauerwelle drückte auf den Knopf mit der Nummer fünf und schon ging es schweigend aufwärts. Sie kamen in einen leeren, grell erleuchteten Gang. Lindsay erblickte vor sich ein halbes Dutzend Türen. Stone dirigierte sie zu einer mit der Aufschrift K57 und trat gemeinsam mit ihr ein. Die anderen zwei blieben draußen.
    Der Raum entsprach fast bis ins Detail Lindsays Erwartungen. Weiß gestrichene Wände. Am Boden graue Kunststoffliesen mit Zigarettenlöchern. Nackte Leuchtstoffröhren erhellten einen großen metallenen Tisch in der Mitte des Zimmers, auf dem sich ein Telefon und ein paar drehbare Klemmlampen befanden. Dahinter standen drei recht bequem aussehende Bürostühle, davor ein kunststoffgepolsterter, dessen Metallgerüst

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