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Das Nest

Titel: Das Nest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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im Boden fixiert war. »Mein Gott, was für ein Klischee…«, entfuhr es Lindsay.
    »Und weshalb glauben Sie, etwas anderes zu verdienen?« fragte Stone in mildem Ton. »Setzen Sie sich«, forderte er sie auf und zeigte auf den einzelnen Stuhl. Streiten schien keinen Sinn zu haben, also tat sie wie befohlen. Wieder schloß er die Handschellen auf und fesselte sie diesmal an die stabil wirkende Lehne ihres Sitzplatzes.
    Einige Stunden waren vergangen, seit sie zum letzten Mal so richtig Angst gehabt hatte und sie spürte, wie das Selbstvertrauen in ihre Knochen zurückkehrte. »Also«, sagte sie. »Wer sind Sie, Stone? Was passiert hier überhaupt? Und weshalb bin ich hier?«
    Er setzte ein Lächeln auf und schüttelte den Kopf. »Für diese Fragen ist es jetzt zu spät, Lindsay. Das wäre das erste gewesen, was eine ahnungslose Frau dort in dem kleinen Fordhamer Gäßchen gefragt hätte. Aber dafür wußten Sie zu viel. Wozu jetzt noch, da Sie die Antwort schon kennen?«
    »Heiliger Bimbam«, murmelte sie. »Sind eure Gehirne tatsächlich schon so pervertiert, daß ihr glaubt, eine jede und ein jeder sei Teil irgendeiner Verschwörung? Als Sie sich mir dort in den Weg stellten, war ich einfach zu perplex, um die Fragen zu stellen, die Sie glücklich gemacht hätten. Warum bin ich hierhergebracht worden? Was haben Sie mit mir vor?«
    »Das hängt größtenteils von Ihnen ab«, antwortete er grimmig. »Gehen Sie jetzt nicht weg«, fügte er hinzu, als er den Raum verließ.
    Gegen Ende der halben Stunde, die sie dort allein sitzend verbrachte, hatten sich ihre mutigen Vorsätze mit dem Rauch ihrer dritten Zigarette wieder in Luft aufgelöst. Sie fürchtete sich und jedes Abstreiten war sinnlos. Aber die Angst schloß auch ein Gefühl der Erleichterung mit ein, daß sie von Riganos Chefs und nicht von Simon Crabtrees Auftraggebern festgehalten wurde. Im letzteren Fall hätte sie sich nämlich noch weniger Chancen ausgerechnet.
    Lindsay war gerade dabei, ihre vierte Zigarette anzuzünden, als die Tür aufging. Sie zwang sich, dem Impuls des Umdrehens nicht nachzugeben. Eine Sekunde später wurde sie auch schon mit dem Anblick Stones belohnt, der gegenüber an der einen Ecke des Schreibtisches Platz nahm. Ihm folgte eine Frau, die nur aus Schultern und strengem Haarschnitt zu bestehen schien. Sie musterte Lindsay mit prüfendem Blick, bevor sie sich ebenfalls setzte. Sie selbst war eine äußerst elegante Erscheinung, in Kleidung wie in Aussehen. Ihr gepflegtes graumeliertes Haar trug sie an den Seiten kurz geschnitten, weiter hinten mündete es in einem üppigen Lockenwirbel. Extra starkes Wet-Gel, dachte Lindsay zusammenhanglos. Angenommen, ich lerne sie in einer Bar kennen: Sie könnte mir gefallen, bis ich mir vorstelle, mit den Fingern durch das streichen zu müssen. Die Haut der Frau war fast durchsichtig blaß und ihre Augen glitzerten in dem zarten Gesicht grünlich blau. Sie mußte etwa vierzig sein. Bekleidet war sie mit einem modischen Hosenanzug aus Naturleinen über einem kaffeebraunen Seidenhemd mit Perlmuttknöpfen. Während sie Lindsay betrachtete, nahm sie ein Päckchen Gitanes heraus und zündete sich eine an.
    Der beißend blaue Dunst hatte die übliche Auswirkung auf Lindsay: Sie mußte an jene Nacht in Südfrankreich denken, an das Café, in dem Cordelia und sie am Spielautomaten gestanden hatten, geraucht und Kaffee getrunken und Elton John aus der Juke Box gelauscht hatten. Der Kontrast war so stark, daß sie ihren Horror jetzt fast schmecken konnte.
    Vielleicht spürte die Frau die Veränderung, die in Lindsay vorging, denn sie wählte diesen Moment um zu sprechen. »Mr. Stone erzählt mir, daß Sie ein Problem darstellen«, sagte sie. »Wenn das stimmt, müssen wir eine Lösung finden.« Ihre Stimme klang kühl und verriet Spuren eines nördlichen Akzents. Lindsay hatte den Verdacht, daß sie bei Ärger oder Enttäuschung unangenehm grantig klingen konnte.
    »Von meiner Warte aus sind ausschließlich Sie das Problem. Ich wurde unter Gewaltandrohung entführt, mit einem Messer bedroht, durch kriminelle Methoden geschädigt und niemand hat sich die Mühe gemacht, mir zu erklären, von wem und warum. Halten Sie es nicht für etwas unrealistisch anzunehmen, ich würde mich überschlagen, nur um etwas zu lösen, das Sie als Problem empfinden?« preßte Lindsay zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ein Versuch, ihre Verstörung hinter der Inszenierung berechtigter Wut zu verbergen.
    Die Lady hob

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