Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
Vom Netzwerk:
von einer Seite zur anderen, dann werden Sie sehen, daß ich recht habe.«
    Ich tat es, und die scharfen Bilder wurden zu verschwommenen Farbklecksen, während sich an der Peripherie meines Gesichtsfeldes neue Bilder formten, deren Farbtönung jedoch mit zunehmender Entfernung vom Zentrum des Gesichtsfeldes schwächer und schwächer wurden. Als ich meine Ohren so weit ich konnte nach hinten gedreht hatte, waren die Bilder zu beiden Seiten farblos, von einem harten, elektronischen Weiß auf pech-schwarzem Grund.
    Ich richtete meine Ohren wieder nach vom, und das farblich kräftige Bild kam wieder in den Fokus.
    »Die Augen sind sehr farbempfindlich, bis weit in den Infrarot- und Ultraviolettbereich hinein«, sagte der andere, »können aber nicht definieren. Das wird vom Sonar besorgt, in einem Blickwinkel von 180 Grad. Sie brauchen nur die Ohren zu drehen, um jedes Signal aufzufangen. Das gibt den Farben Form und Kontur und eine extreme Tiefenschärfe. Eine gewisse Schwierigkeit gibt es nur beim Erkennen kleiner Details, da muß man die Perzeption scharf auf einen kleinen Ausschnitt konzentrieren. Ich sehe für Sie wahrscheinlich blau aus, aber wenn Sie mich genau und im scharfen Fokus betrachten, erkennen Sie meine Körperbehaarung, und zwar so deutlich, daß der Gesamteindruck dabei verwischt wird. Sie können, kurz gesagt, entweder panoramisch sehen oder genau detailliert, aber nicht beides gleichzeitig.«
    »Das ist unglaublich«, sagte ich, und es war auch kaum zu fassen. Alle Dinge wirkten seltsam fremd, künstlich; sie wurden ein- und ausgeblendet, ihre Konturen erschienen manchmal klar gezeichnet, manchmal vage und verschwommen. Interessanterweise konnte ich weder den Horizont noch den Himmel sehen — sie waren ein dunkler Hintergrund, in den die Formen und Farben der Dinge wie eingeätzt schienen.
    »Wo ist der Horizont?« fragte ich.
    »Der reflektiert keine Geräusche. Sie können nur sehen, was ein Echo zurückwirft. Alles andere existiert einfach nicht. Keine Angst, Sie werden sich bald daran gewöhnen.«
    »Das Gras war bläulich-grün; jetzt sieht es rosa aus«, stellte ich fest.
    »Das ist die Nahrungsfarbe«, klärte mich mein Gesprächspartner auf. »Die Farben entsprechen nicht denen, die Sie mit Ihren Augen gesehen haben. Alles, was rosa ist, können Sie essen. Es gibt da noch ein paar feine Unterschiede, aber die lernen Sie mit der Zeit. Zum Beispiel, blau ist eine männliche Farbe, grün eine weibliche. Das sind alles Signale, es gibt Tausende von Signalen.
    In ein paar Wochen werden Sie die meisten von ihnen kennen, entweder instinktiv oder aus Erfahrung.«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich fand das alles ziemlich verwirrend. In einem fremden Körper zu stecken, war schon schlimm genug, aber derart fremdartig zu sein, war mehr als ich ertragen konnte. Das schuf zusätzliche Barrikaden auf meinem Weg, diesen Bann zu brechen, das System zu zerschlagen, das mich gefangen hielt. Ich hatte das unbehagliche Gefühl, daß dies ein wesentlicher Bestandteil des Prinzips war — es befriedigte alle Grundforderungen, schränkte jedoch jeden Versuch, einen Ausbruch aus dieser vorgeschriebenen Sozialstruktur zu unternehmen, ein. Diese Farben — sie formten Verhaltensmuster.
    »Sie sind von dieser Kommunardenkolonie, nicht wahr?«
    fragte ich den Mann, um nicht zu lange bei meinen düsteren Überlegungen zu verweilen. Ich saß in einer Falle, und ich mußte noch eine Menge lernen, wenn ich mich aus ihr befreien wollte.
    Der Mann nickte. »Ja. Ich bin George Haspinol, eine der Kontrollidentitäten der Expedition. Wir haben das Land in Distrikte aufgeteilt und versucht, wenigstens eine rudimentäre soziale Organisation zu schaffen. Und bis zu einem gewissen Grad ist es uns auch gelungen, obwohl wir uns inzwischen so ausgebreitet haben, daß ich keinen genauen Überblick mehr besitze und nicht weiß, ob all die sozialen Institutionen, die wir damals geschaffen haben, noch existieren.«
    »Sie haben mich landen sehen, nicht wahr? Warum haben Sie bis jetzt gewartet, um Kontakt mit mir aufzunehmen?«

    »Vorher hätte es wenig Sinn gehabt. Als Sie den Boden von Patmos betraten, war es für eine Umkehr schon zu spät. Wir wußten, was geschehen würde. Und Sie hätten uns ohnehin nicht hören können. Wozu also? Als bei Ihnen die Transformation einsetzte, hatten sich Ihr Metabolismus, Zeitempfinden und so weiter so grundlegend verändert, daß Sie nicht mehr mit uns synchronisierten. Erst als ich sah, daß sich bei

Weitere Kostenlose Bücher