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Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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Ihnen die Hörner entwickelten, begann ich, Sie ständig zu beobachten. Außerdem haben wir doch jetzt Zeit für Gespräche. Zeit haben wir hier unbeschränkt.«
    »Sie haben diesen Planeten Patmos genannt. Haben Sie ihm diesen Namen gegeben?«
    Die schwarzen Augen des Mannes zeigten etwas wie Emotion.
    »Natürlich! — Wollen Sie behaupten, noch nie von Patmos gehört zu haben? Es steht in der Bibel.«
    Ich nickte. Ich wußte, was die Bibel war, hatte sie aber nie gelesen. Wie schon gesagt, habe ich in der Schule während der Geschichtsstunden meistens geschlafen.
    George interpretierte mein Schweigen mit der Perzeption, die ihn zur Kontrollidentität gemacht hatte.
    »Ich sehe, daß das Christentum dem Vormarsch der Zivilisation zum Opfer gefallen ist«, sagte er bedrückt. »Nun, das war wohl unvermeidlich. Es war einer der Gründe, warum die Kommunarden die Erde verließen.«
    »Dann sind Sie also eine religiöse Gruppe und keine politische?« sagte ich. »Ich dachte, die Bezeichnung Kommunarden kommt von . . . «
    »Kommunisten?« Er schnaubte durch die Nase. »Nun, im eigentlichen Sinne schon. Wir hatten viele Gemeinsamkeiten, in unserer Philosophie und unseren Zielen, in spiritueller Hinsicht aber waren wir natürlich grundverschieden. Beide Gruppierungen träumten von einer Welt ohne Not, Gewalt und Angst, in der alle Menschen in Wohlstand, Frieden und Gleichheit leben konnten. Wir konnten aber das Versprechen einer fundamentalen, von innen heraus kommenden Veränderung der menschlichen Natur nicht akzeptieren; wir waren überzeugt, daß diese Veränderung nur durch die Gnade Gottes herbeigeführt werden könnte. Kommunismus ist in sich selbst eine Religion, mit einem Heiligen Buch, einer Gottesgestalt, und einer Masse von Propheten, die das Wort interpretieren, und mit einem Himmel, der durch eine plötzliche, wunderbare und wissenschaftlich unglaubhafte Veränderung der menschlichen Natur zustande kommen würde. Unsere Veränderungen, Veränderungen geistiger Art, waren weitaus logischer und glaubhafter, denke ich.«
    Ich blickte ständig umher und testete meinen neuen Gesichtssinn. Er war sehr eigenartig in seinen Möglichkeiten und seinen Beschränkungen — und in seiner Flexibilität.
    »Also sind Sie hergekommen und in die Falle gegangen«, sagte ich ironisch.
    »Das kommt auf den Standpunkt an«, sagte George. »Viele von uns glauben, daß dies alles Gottes Wille ist, die einzige Möglichkeit, das Paradies zu finden, das wir gesucht haben. Vielleicht haben sie sogar recht. Utopia bedeutet vor allem Gewaltlosigkeit, und die haben wir hier. Utopia bedeutet Freiheit von Hunger und Not, und beides kennen wir hier nicht. Es gibt auch kaum Schmerz. Der Körper heilt sich selbst, und sehr rasch, wenn er verletzt wird, und den Tod haben wir bisher nur als isoliertes Phänomen kennengelernt. Viele von uns sind hier glücklich und danken Gott jeden Tag für dieses Leben.«
    Ich schnaubte verächtlich. »Das ist die Crux mit Utopisten.
    Wenn man die ideale Welt auf die äußersten Notwendigkeiten reduziert, findet man sie auch bei jeder Rinderherde. Ist selbstzufriedene Primitivität das Ziel des Menschen? Liegt es in einer Existenz als stumpfsinnige, grasende Tiere? Das glaube ich nicht.
    Das ist der Grund dafür, weshalb ich nicht zu Hause geblieben bin, um bei einer lebenslangen Unterstützung vor mich hinzufaulen. Ich bin dazu geschaffen, Herausforderungen zu suchen und mich ihnen zu stellen. Und das, denke ich, heißt ein Mensch zu sein.«
    George zuckte die Achseln. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.
    Wenn Ihr Standpunkt das Wesen der Zivilisation ausmachen sollte, sind Sie wirklich besser dran, wenn Sie hier auf der Ebene grasen. Das soll kein Urteil sein, da unsere Unterhaltung ja rein akademisch ist. Ich bin schon vor langer Zeit zu dieser Erkenntnis gelangt, und auch Sie werden sich ihr anschließen müssen, früher oder später. Sie sind jetzt hier, in dieser Gestalt, und das wird für immer so sein, ob Sie es wollen oder nicht.«
    »Damit werde ich mich niemals abfinden!« sagte ich entschieden. »Lieber würde ich sterben.«
    »Viele von uns haben versucht, sich das Leben zu nehmen«, sagte er sanft, »jedenfalls zu Anfang. Aber es geht nicht. Sie er-lauben es nicht. Wenn Sie durchdrehen, wenn Sie irgendeine psychische Abnormität entwickeln, wird sofort eine Lobotomie durchgeführt — es gibt eine ganze Reihe solcher Fälle hier. Wie Sie bald feststellen werden, sind wir funktionelle Haustiere

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