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Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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Veränderung sehr körperbewußt geworden. Normalerweise sind wir es nicht.
    Wir werden uns unserer verschiedenen Körperglieder nur bewußt, wenn wir sie gebrauchen oder mißbrauchen. Aber nicht bei diesem Körper. Ich spürte jeden Muskel, jeden Nerv, jedes Glied. Und das betraf auch den Penis. In der vierbeinigen Position war da nicht viel los, aber wenn ich mich aufrichtete, formte er sich zu einer extrem langen, harten Röhre, die sich augenblicklich in Ejakulationsposition aufrichtete. Sex war hier offensichtlich ein Sport, der im Stehen betrieben wurde.
    Ich fühlte, daß die Sonne ein gutes Stück weitergewandert war, bevor sich wieder der Hunger zu regen begann. Es ist ein ziemlich mühsames Geschäft, zu essen, wenn man blind ist und nur den Mund benutzen kann, aber der imperative Eßzwang, der mich bisher beherrscht hatte, war verschwunden. Die Zeit, die früher gerast war, schleppte sich jetzt mühsam dahin, und ich aß nur, um die Sache hinter mich zu bringen.
    Ich aß auch kaum noch ein Viertel der Menge, die ich früher in mich hineingeschlungen hatte, und ich ließ mir viel mehr Zeit dabei. Aber selbst jetzt überfiel mich sofort nach dem Essen die bekannte Müdigkeit, und ich fiel, wahrscheinlich zum letztenmal, in einen tiefen Erschöpfungsschlaf.
    Ich war gespannt, wie es weitergehen würde, und fürchtete nur, auch am folgenden Morgen wieder blind aufzuwachen.

4
    »Sind Sie schon wach?« fragte eine hohe, sanfte Stimme besorgt.
    Ich stöhnte und wandte den Kopf zur anderen Seite. Im Augenblick hatte ich völlig vergessen, wo ich war und was ich war.
    Es war anders als vorher; ich hatte das Gefühl, wirklich geschlafen zu haben, und ich war noch müde und zerschlagen.

    Ich öffnete die Augen, stieß einen leisen Schrei aus und kniff, sie wieder zu.
    »Oh, mein Gott«, stöhnte ich, und meine Stimme klang fremd in meinen Ohren.
    »Man muß sich erst daran gewöhnen«, sagte die fremde Stimme. »Dazu gehört vor allem Übung. Am besten fangen wir gleich damit an. Stehen Sie auf! Ich werde Ihnen dabei helfen.«
    Ich gebrauchte den Schwanz, um mich abzustützen und kam unsicher auf meine vier Beine. Wieder öffnete ich die Augen und erstarrte.
    Früher einmal, als kleines Kind, hatte ich ein Kaleidoskop gesehen. Man dreht das Ding nach links und nach rechts, und erlebt einen ständigen Wechsel seltsamer Farben und Formen.
    Ähnliche Effekte hatte ich natürlich später auch auf dem Bildschirm gesehen.
    Was ich jetzt sah, war so ähnlich, nur unendlich komplexer, und ohne klare Abgrenzungen. Manche Farben flirrten und flackerten, blinkten und wirbelten, andere schienen fixiert, und es gab mehr Varianten und Tönungen, als ich jemals zuvor gesehen hatte, mehr, als ich mir vorgestellt hatte, mehr, als überhaupt existieren konnten. Aber sie bildeten nur vage, verschwommene Impressionen, ohne Form und Gestalt.
    »Ist das die Art, wie ihr die Welt seht?« fragte ich meinen unbekannten Gefährten. »Mein Gott! Was hat das alles zu bedeuten?«
    »Im Prinzip ist es ein besseres System als das alte«, sagte er.
    »Ihr Gehirn hat sich nur noch nicht an den unterschiedlichen Input gewöhnt. Wollen Sie klar sehen? Wenden Sie sich mir zu und fühlen Sie nach den Hörnern auf Ihrem Kopf. Haben Sie sie?
    Gut. Jetzt konzentrieren Sie sich auf sie.«
    Ich tat, was der andere sagte, und plötzlich schien die Welt zu explodieren. Die Farbenkleckse wurden zu scharf umrissenen Formen. Ich konnte die Adern in den Grashalmen erkennen, sah winzige Insekten durch die Luft schwirren. Das heißt, ich sah sie nicht wirklich. Es ist schwer zu beschreiben. Form, Größe, jedes Detail, Entfernung — alles war klar zu erkennen, aber nicht optisch. Es wirkte alles seltsam elektronisch projiziert, irreal klar und perfekt.
    Der andere — ich sah ihn an, sah ihn dreidimensional, und sah ihn doch nicht. Er sah bläulich aus — ein fahles Blau —, wie ein Negativ, und während ich im wahrsten Sinne des Wortes jedes einzelne Haar an seinem Körper zählen konnte, erschien er mir wie ein Abbild auf einem Bildschirm, das jeweils nur für den Bruchteil einer Sekunde erscheint und dann wieder erlischt.
    »Nein, es ist kein wirkliches Sehen«, sagte der andere, als ob er meine Verwirrung spürte. »Sie senden durch die Membranen an den Hornenden winzige Impulse aus, mehrere tausend pro Sekunde, und die werden von den Dingen zurückgeworfen, von den Ohren aufgefangen und an das Sehzentrum des Gehirns weitergegeben. Drehen Sie mal Ihre Ohren

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