Das Netz der Chozen

Dunkelheit in einer Umgebung zu sein, die man gut kannte.
    Während der Nacht war das Dorf nicht beleuchtet, aber die vertraute, unkomplizierte Umgebung konnte mit Sonar ausreichend erkannt werden.
    Nachdem die Kinder zum Schlafen in ihre eigenen Räume gegangen waren, setzten George Haspinol und ich uns in den Zentralraum des Hauses. Es war nach mehreren Tagen die erste Gelegenheit zu einem Gespräch. Er war sehr viel unterwegs, um den Jungen die Geschichte ihrer Herkunft zu erzählen, sie soviel zu lehren, wie er konnte, alles zu tun, was in seiner Kraft stand, um die lockeren Verbindungen, die die kleine Gemeinschaft zusammenhielt, so weit wie möglich zu erhalten.
    »Wie war es?« fragte ich.
    »Ich gewinne ein paar kleine Gefechte«, sagte er mit müder Stimme, »aber ich verliere den Krieg. Das weiß ich. Guz, Gal und Rum sind der beste Beweis dafür. Meine eigenen Kinder sprechen wie Halbwilde, und keiner von ihnen kann weiter als bis fünf zählen. Sie hören mir zu, um einem alten Mann einen Gefallen zu tun, aber bald sind sie voll ausgewachsen und werden die Gegend verlassen, um ihre eigenen Häuser zu bauen, ihre eigenen Familien zu gründen, die dann noch weniger von unserer Sprache, von unserer Kultur lernen werden. Ich habe erfahren, daß die Leute, die nur ein paar Meilen von hier entfernt auf der anderen Seite der Bergkette leben, einen Sprachschatz von nicht mehr als knapp achtzig Worten haben, und selbst die so verballhornen, daß man sie kaum versteht. Sie sind auf dem Weg, zu den Kühen zu werden, von denen Sie gesprochen haben — allein durch Multiplikation und geografische Umstände.«
    Ich nickte. »Aber Sie wissen, daß der Holocaust unausweichlich auf Sie zukommt. Auch wenn das Gras fast über Nacht wieder nachwächst und die Knollen das ganze Jahr über treiben, werdet ihr sehr bald huftief in Kot stehen, und das Essen wird zu einer Massenveranstaltung.«
    Ich hatte an diesem Tag einen schmalpulsigen Rundblick durchgeführt; bei normalem oder breitem Puls konnte ich nur drei- bis vierhundert Meter weit >sehen<, bei weiteren Entfernungen wurden die zurückgeworfenen Echos zu diffus. Jede unserer Pulsarten war distinktiv, individualistisch — selbst wenn Tausende von uns ihre pulsierenden Meßstrahlen aussandten, empfing man nur das Echo der eigenen, war nur auf ihren Empfang ausgelegt. Bei schmalem Puls konzentrierte man die ganze Energieladung auf ein kleines Gebiet — vielleicht nur wenige Quadratmeter —, das man jedoch auch auf eine Entfernung von mehreren Kilometern klar erkennen konnte. Mit dieser Methode hatte ich an diesem Tag eine Art Volkszählung in der Umgebung des Dorfs durchgeführt, und dazu brauchte ich mich nicht aus dem Dorf zu entfernen. Aber die Menge von Chozen, die ich gesehen hatte, waren nur ein kleiner Teil der Gesamtbevölkerung.
    »Das Wasser steigt, ein Zeichen, daß der Winterschnee endlich zu schmelzen begonnen hat«, sagte George. »Die Brutperiode beginnt in drei oder vier Wochen, vielleicht schon eher. Es ist vielleicht die letzte, bevor hier alles zusammenbricht.«
    Ich nickte und wechselte das Thema. »George, Sie haben ver-sprochen, mir das alles zu erklären. Wer sind sie, und warum sind wir hier?«
    Er seufzte und reckte sich.
    »Sie haben doch eine ganze Reihe von Untersuchungen und Tests unternommen, bevor Sie hier gelandet sind, nicht wahr?«
    »Klar«, sagte ich »und wahrscheinlich umfassender und gründlicher als Sie. Schließlich haben sich inzwischen die Apparate und Methoden erheblich verbessert. Aber ich habe nichts feststellen können.«
    »Weil Sie nicht wußten, wonach Sie suchen sollten. Haben Sie einen kleinen Virus entdeckt, eine winzige Kolonie von Submikroorganismen, die in einem fast atemberaubenden Tempo wabenähnliche Strukturen bildete?«
    »Ja«, sagte ich. »Klar. Aber sie zeigten keinen Effekt bei dem Versuchstier. Trotzdem bin ich vorsichtshalber im Druckanzug und mit eigenem Luftvorrat auf den Planeten gekommen.«
    Er nickte. »Das ist die Erklärung. Sie haben auch unseren Versuchstieren nichts getan — und auch uns selbst nicht. Wir haben ebenfalls unsere Vorsichtsmaßnahmen getroffen, haben sogar eine kleine Gruppe vorausgeschickt, und erst, nachdem sie vierzehn Tage lang auf diesem Planeten gelebt hatte, brachten wir das Gros herunter.«
    »Und was sind diese Mikroorganismen wirklich?« fragte ich gespannt.

    »Nicht mehr als Enzyme — anscheinend einfache Proteinmoleküle. Der einzige Effekt schien ein Ersetzen vieler