Das Netz der Chozen
Zellularenzyme zu sein. Zu Anfang spürten wir eine leicht narkotische Wirkung, die uns etwas verwunderte, aber da war es bereits zu spät.
Zu diesem Zeitpunkt waren sie schon so feste Bestandteile des Organismus geworden, daß es nur noch eine Möglichkeit gab, sie loszuwerden: wir hätten die Menschen töten müssen. Doch wir sahen auch nicht den geringsten Anlaß, etwas gegen sie zu unternehmen. Sie schienen uns nichts zu tun, sie schienen sogar die Zellen, die von ihnen befallen wurden, zu stimulieren. Und schließlich hatten wir keine Lust, noch weiter zu suchen. Dank Fitzgerald waren wir nur für einen Relativ-Zeitraum von dreißig Jahren unterwegs gewesen, und während dieser Zeit hatten wir die Reproduktion in sehr engen Grenzen gehalten, da wir nicht wissen konnten, ob wir nicht sehr viel länger unterwegs sein würden. Dieser Planet erschien uns ideal, ein Geschenk des Himmels, also beschlossen wir, hierzubleiben.«
»Es ist nichts als ein simples Virus?« sagte ich ungläubig.
»Aber — es wirkt alles so geplant!«
»Eine völlig neuartige Lebensform«, sagte George. »Ein Virus, das denkt, darüber besteht kein Zweifel. Was für Gedanken das sind, weiß allerdings nur Gott. Für uns sind sie jedenfalls zu abartig. Die Viren sind in uns eingedrungen und haben innerhalb von Tagen unsere gesamten Zellstruktur verändert. Aber, wie ich sagte, es ist ein denkendes Virus. Es paßte sich an, es lebte sich ein — und wartete, es beeinflußte uns nicht sonderlich, und wenn, dann zu unserem Vorteil. Beschädigte oder verbrauchte Zellen wurden ungewohnt rasch erneuert, wir fühlten uns frischer, gesünder. Ich verstehe nicht ganz, warum es so lange wartete. Erst als alles auf dem Planeten war — ich meine nicht nur die ganze Kolonistengruppe, sondern auch all die anderen Dinge, Vorräte, Material, eben alles, was wir mitgebracht hatten —, schlug es zu.
Es begann mit dem Material. Alle Dinge, die wir besaßen, begannen zu zerfallen, und zwar gleichzeitig. Bis auf das Shuttle. Das ließen sie aus irgendeinem Grund in Ruhe. Als der Zerfallprozeß einsetzte, gelang es einigen Kolonisten, an Bord des Shuttle zu kommen und die Peace Victory zu erreichen. Ohne die nötige Nahrung für ihren Metabolismus werden die Organismen inert, aber die Flüchtlinge waren trotzdem hilflos. Man brauchte viel mehr Menschen, um das Raumschiff zu bedienen, und außerdem waren alle Nahrungsmittel, die wir an Bord gehabt hatten, jetzt auf dem Planeten.
Als sie fast verhungert waren, beschlossen sie, zurückzukommen und sich mit dem Unvermeidlichen abzufinden. Entweder das oder verhungern. Eine dritte Möglichkeit gab es nicht. Als sie zurückkamen, hatten wir anderen uns schon verändert, und ich konnte den Prozeß bei ihnen beobachten. Jetzt vernichteten die Viren auch das Shuttle mit irgendeiner Sekretion.«
»Aber wozu die Verwandlung? Warum diese abnorme Gestalt?
Warum konnten sie die Menschen nicht so, wie sie waren, unter ihre Herrschaft bringen?«
»Einiges liegt doch auf der Hand«, sagte George. »Zunächst mußten wir alle zu Pflanzenfressern werden, damit eine ausreichende Nahrungsgrundlage für uns da war und wir nicht ihr Ökosystem zerstörten, indem wir andere Tiere aßen. Werkzeuge und Artefakte waren ebenfalls eine Bedrohung ihres Ökosystems, also mußten sie uns die Hände nehmen. Die harte, dunkle Haut ist nötig, um uns gegen die Sonne und das harte Gras zu schützen. Die muskulösen Hinterläufe sollen uns die Fähigkeit der schnellen Fortbewegung geben, damit wir uns rasch über den ganzen Planeten verbreiten.«
»Aber wozu ist das seltsame optische System?«
»Das weiß ich auch nicht. Aber ich denke, daß es mehreren Zwecken dient. Der Farbcode eliminiert alles, außer den Signalen, die man zum Leben und Überleben braucht, er erschwert es, an der Umwelt herumzufummeln, und erleichtert es, in ihr zu leben. Außerdem können sie mit Hilfe von Farbstimuli den Hormonausstoß beeinflussen, und damit unser Verhalten. Sie haben ja selbst eine Probe dieser Wirkung bekommen, als sie Sie während der Transformation gezwungen haben, sich mit Knollen und Gräsern vollzustopfen. Während der Brutperiode werden Sie mehr davon sehen. Sie sind in jeder einzelnen Zelle Ihres Körpers, und solange sie die Zellularfunktion verstehen und beherrschen, können sie uns zu allem veranlassen, was sie wollen.
Und was das Sonarsystem betrifft, so glaube ich, daß Puls und Echo etwas sind, das sie leicht beeinflussen und ihren
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