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Das Netz der Chozen

Titel: Das Netz der Chozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack L. Chalker
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komplizierte Struktur zustande gebracht hatte. Meine Erinnerung an diese Zeit war ein vager Schatten, und der Bau dieses Hauses schien fast völlig gelöscht, aber ich bewunderte die Arbeit.
    Mara hörte mich näherkommen und trat aus dem Haus.
    »Erstaunlich!« rief ich ihr zu. »Das Haus, meine ich. Habe ich . . . haben wir das wirklich gebaut? Wir beide ganz allein?«
    Sie nickte. »Wenn dein Partner noch keins gebaut hat, wenn es noch keins aus seinem Gewebe gibt, muß man ein neues bauen.
    Für mich ist dies erst das dritte, aber es ist genau so gut wie die anderen.«
    Ich mußte zustimmen. Da ich mich noch immer ziemlich elend fühlte, legte ich mich vor dem Haus ins Gras und streckte mich aus. Aber so oft ich auch meine Lage veränderte, in keiner lag ich wirklich bequem.
    »Du wirst dich daran gewöhnen«, sagte Mara tröstend und legte sich neben mich.
    Auch das war seltsam, überlegte ich. Die ganze Angelegenheit. Und deshalb beunruhigte sie mich so. Es war alles animalistisch, völlig von Instinkten bestimmt. Der Wille spielte überhaupt keine Rolle, und auch nicht irgendein Gefühl. Es gab keine Romantik, keine Liebe, nicht einmal den Drang, eine Leere auszufüllen, nicht allein zu sein, der Menschen dazu trieb, eine Prostituierte zu benutzen. Nein, der ganze Prozeß war ohne jede Spur von Humanität, und das störte mich am meisten.
    Ich mußte so schnell es ging diesen Planeten verlassen, wenn ich nicht an ihm sterben wollte. Ich hatte weiß Gott keine Neigung zum Selbstmord, aber trotzdem würde ich den Tod meiner jetzigen Situation jederzeit vorziehen — und ich bewunderte die Alten, die Ersten, die genau wie ich empfinden mußten und diesem Druck so lange standgehalten hatten. Aber sie waren normale Menschen, erkannte ich dann. Wie die meisten meiner eigenen Welt. Alle ihre Bedürfnisse wurden vom Staat befriedigt, ihr Lebensunterhalt vom Staat bestritten. Selbst die wenigen, die dagegen protestierten, wollten nur eine Welt, die noch utopischer war, noch perfekter. Sie hatten nicht meine Bedürfnisse, nicht meine Überzeugung, daß nur ein harter Lebenskampf den Menschen über das Tier erhob.
    Die heutige Menschheit unterschied sich in fast nichts von diesen friedlichen Tieren. Und eben das war das Ziel aller Reformer: eine Welt ohne Hunger, ohne Angst vor Kriegen, ohne Haß, ohne Eifersucht, ohne Gier. Eine Welt ohne jede Sorge, selbst ohne die Sorge eines Menschen um den anderen.
    Eine Welt, in der man nicht mehr zu denken brauchte, in der das Denken als überholt abgeschafft werden konnte.
    »Woran denkst du?« fragte Mara besorgt. »Deine Aura zeigt starke Störungen.«
    »Ich denke nur«, sagte ich. »Und das ist etwas, das man in dieser Welt nicht tun sollte. Es gibt keinen Raum für das Denken.«
    »Und den gibt es in deiner Welt?«
    Ich seufzte. »Nicht mehr. Nicht wirklich. Die wenigen von uns, die noch denken, werden entweder angepaßt oder auf Jobs wie den meinen abgeschoben, bei denen sie von der Gesellschaft getrennt werden und ihr gleichzeitig dienen müssen.«
    »Ich glaube, ich verstehe, wie du das meinst«, sagte Mara. »Ich denke oft an die Geschichten, die mein Vater mir erzählt hat.
    Auch die Kolonisten waren Außenseiter, Pioniere. Sie wollten Neuland entdecken, Welten sehen, die noch niemand vor ihnen gesehen hatte, und auf diesen Welten eine neue Gesellschaft gründen. Sie — die Ersten, meine ich — haben sich immer betrogen gefühlt, weil es ihnen nicht gelungen ist.«
    Ich nickte. Der Druck im Magen war ein wenig abgeklungen, aber ich fühlte mich noch immer schwindelig.
    »Ich kann nicht verstehen, warum das Virus uns die Denkfähigkeit belassen hat. Sie haben bewiesen, daß sie das Denken verhindern können, indem sie einen Teil des Gehirns lahmlegen.
    Warum also lassen sie uns unser Bewußtsein, unsere Individualität?«
    Sie hob die Schultern. »Wer kann wissen, was Viren denken und wie sie denken? Wie könnten wir jemals mit ihnen in Verbindung treten oder sie mit uns? Was haben wir gemeinsam?
    Und was könnten wir tun, um unser Leben zu ändern?«
    Das waren in der Tat die entscheidenden Fragen. Die Fragen, auf die wir eine Antwort finden mußten. Bei der ersten Frage konnte ich sie nur erraten. Sie wußten, daß wir intelligent waren, wußten sogar, wie sie diese Intelligenz unterbinden konnten. Sie wußten eine Menge über uns. Ich nahm an, daß sie ihr eigenes Leben durch uns führten, sahen, was wir sahen, fühlten, was wir fühlten. Das war vielleicht der

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