Das Netz der Chozen
noch ernster war.
»George, was wäre, wenn eine andere Intelligenz etwas von unseren Viren erfährt? Könnte sie an die Stelle von Moses treten und uns übernehmen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht. Es gehört etwas mehr dazu, als nur darüber Bescheid zu wissen. Man müßte wissen, was man ihnen befehlen soll und — was noch wichtiger ist — wie man ihnen das befehlen soll. Und außerdem sollten Sie bedenken, daß sie nach Moses' Spezifikation konstruiert worden sind. Um sie unter Kontrolle zu bringen, braucht man sehr viel Zeit und eine Menge Versuchskaninchen — falls es überhaupt möglich ist.«
Ich dachte eine Weile darüber nach. »George, wenn Moses zerstört worden ist, steht uns ein ganzer Planet voller Versuchskaninchen zur Verfügung. Vielleicht haben wir eine neue Farbe auf die Palette der Seiglein-Corporation gebracht.«
Er überlegte ein paar Sekunden lang, dann blickte er auf und sagte sehr ernst: »Ob wir das, was wir vorhaben, wirklich durchführen sollten?«
Darüber hatte ich mir auch schon Gedanken gemacht, aber es gab nur eine Antwort.
»Sie wissen, daß uns nichts anderes übrig bleibt. Wir müssen es tun, weil es das kleinere Übel ist. Wir wissen, was passiert, wenn wir es nicht tun. Wir wissen nicht, wie sie reagieren werden. Wir können nur hoffen, daß sie Moses zerstören und es uns überlassen, den Planeten zu regieren.«
Vier Tage später kamen die Jungen aus den Beuteln. Mit den Köpfen zuerst. Noch ohne Hörner, Gott sei Dank! Sie besaßen von Anfang an den vorprogrammierten Farbsinn und das Gehör, aber sonst nichts. Trotzdem, wenn ich mich über das Gras beugte und aß, machte das Junge es mir nach. Georges Junges erschien am Abend desselben Tages, und es sah dem meinen zum Ver-wechseln ähnlich, fand ich.
George war auf diesem Gebiet der Experte, und ich folgte seinem Beispiel. Die Erziehung der Jungen begann wenige Tage später, obwohl sie noch immer in den Beuteln steckten. Sie bestand zunächst darin, daß George und ich ihnen Worte wie >Nahrung< und >essen< vorsagten, wenn das Junge in der richtigen Position war, um das zu tun, was wir ihm bezeichneten.
Wir bezeichneten und kommentierten alles, was wir oder die Jungen taten. Nach wenigen Tagen wurde es uns zur Gewohnheit, und die Methode schien erfolgreich zu sein.
Mein Junges wuchs schnell, und es wurde von Tag zu Tag mühseliger, es herumzuschleppen. Kurze Zeit später konnte es nicht mehr ganz in den Beutel zurückkriechen. Zuerst schaute nur der Kopf heraus, dann der Kopf und die Vorderläufe. Das zwang mich, ständig auf allen vieren zu gehen, weil ich aufgerichtet leicht das Übergewicht verlor. Mein einziger Trost war, daß George, der diesen Zustand immerhin schon ziemlich oft erlebt hatte, die gleichen Schwierigkeiten zu haben schien.
Obwohl das meine früher ausgeschlüpft war, verließ Georges als erstes seinen Beutel. George seufzte erleichtert. Das Junge hatte erst kurze Hornknospen und kein wirkliches Sehvermögen, mußte also geleitet werden, wenn es sich umherbewegte; aber der kleine Kerl entwickelte sich in einem Tempo, das nur bei einem Chozen möglich war. Eine Entwicklung, die normaler-weise mindestens zwölf Jahre dauerte, wurde auf ein paar Wochen zusammengedrängt. Es wäre übertrieben zu behaupten, daß man sie wachsen sehen konnte, aber die Jungen veränderten sich von Tag zu Tag.
Meins verließ einen Tag nach Georges seinen Beutel, und wir stellten fest, warum es so lange gebraucht hatte: es war ein Weibchen, und Weibchen waren kleiner.
»Kein Zweifel«, sagte George, nachdem er das Junge eingehend gemustert hatte. »Sie sind wirklich ein Sonderfall, Bar. Aber es ist nur logisch. Moses wollte, daß Sie zum Schiff zurückkehrten, Sie sind der einzige, der dazu in der Lage war, und der einzige, dessen er sicher sein konnte, und der einzige, über den er während der Transformation eine besondere Kontrolle be-saß.«
Wir begriffen jetzt, wie Moses sein Volk vermehren wollte, während sein Same zu fernen Welten unterwegs war.
»Ein Wunder, daß er nicht mich zum Weibchen transformiert hat, so wie die meisten von Ihren Leuten«, sagte ich.
»Nein, er hat seinen Plan genau durchdacht«, erwiderte George. »Man braucht nur ein Männchen, und Sie waren der einzige, der zum Schiff kommen würde, der einzige, der dazu in der Lage war.«
Wir nannten Georges Jungen Ham, ein Name, der nicht nur Georges Vorliebe für Einsilbigkeit entsprach, sondern auch irgendwo in der Bibel
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