Das Netz der Chozen
er etwas hat, das potentiell viel wir-kungsvoller ist.«
»Und was?« fragten alle, einschließlich der drei im Unterdeck meines Schiffes.
»Er hat noch immer die Primärmuster dieses Virus«, erinnerte ich sie. »Und er verfügt über die nötige Ausrüstung, um sie rasch und vielfach zu vermehren. Ich wette, daß die Deputy jetzt von ihnen überrannt wird. Sie analysieren die Metallstrukturen, bis zu ihren atomaren Bestandteilen, und speisen alle Informationen in Moses ein. Und Moses findet dann eine Methode, um das Material zu zersetzen, um sich zu den Männern und Frauen an Bord
, des Zerstörers durchzufressen. Wie groß ist die Besatzung?«
»Dreißig«, sagte Olag.
Ich nickte. »Dreißig hochqualifizierte, bestens trainierte Menschen und Moses — eine tödliche Kombination. Vergeßt die Kommunarden nicht.«
Das Schweigen dauerte noch länger. Sie versuchten, die richtigen Schlüsse aus dieser Implikation zu ziehen, und das Resultat gefiel ihnen gar nicht.
Plötzlich kam eine andere Stimme aus dem Lautsprecher.
»Hier Admiral Seiglein. An alle Offiziere und Mannschaften.«
Die Stimme kam mir etwas schrill und infantil vor, und den anderen wahrscheinlich auch. Jerry Seiglein war in vieler Hinsicht in der Pubertät steckengeblieben. »Hören Sie, je länger wir warten, desto größer wird der Vorteil des Computers«, stellte er mit überraschender Logik fest. Vielleicht hatte er doch gewisse Qualifikationen. »Holliday? Könnte er einen Weg finden, die Deputy einzusetzen, wenn diese Viren hineingelangen?«
Ich überlegte eine Weile. »Ich glaube nicht. Selbst wenn er die Mechanik der Funktionen begreifen sollte, so ist da noch immer die Sicherung durch den Gedankencode. Er kann nicht eure Gedanken infiltrieren, nur eure Emotionen und Muskelreaktionen.«
»Holliday«, sagte Seiglein, »Angst ist eine Emotion. Genau wie Klaustrophobie, und beide können physisch hervorgerufen werden. Außerdem können Kriegsschiffe keine Sicherung durch Gedankencode haben. Im Notfall muß doch jemand anders das Kommando übernehmen können.«
Er hatte recht, fiel mir ein. Es gab so eine Sicherung nicht. Die Bedienung erfolgte rein mechanisch. Wenn Moses sie erlernte, konnte er eine Verbindung mit dem Kontrollcomputer herstellen und das Schiff für seine Zwecke einsetzen.
»Admiral, ist die Konstruktion der Deputy auf dem Molekularprinzip aufgebaut, wie die meines Schiffes?« fragte ich.
»Identisch«, lautete die Antwort.
»Dann sollten Sie ihn wirklich bald erledigen«, sagte ich. »Er hatte fast drei Monate Zeit, sich mit meinem Schiff zu befassen.
Also weiß er so ziemlich alles, was er wissen muß, und ich bin sicher, daß er jetzt schon in die Deputy eingedrungen ist. Alles, was er noch zu tun hat, ist die Neutralisierung der Mannschaft.«
»Angriffsformation!« befahl Seiglein, und ich war froh, daß ich nicht an Bord der MacAIester war.
Der Zerstörer setzte sich dicht vor das größere Schiff, und beide bogen in einen engen Orbit um den Gasriesen ein. Ich änderte den Kurs meines Schiffes, um die beiden im Auge behalten zu können. Und dann, plötzlich, so unvermutet, daß ich es erst richtig begriff, als alles schon vorbei war, sah ich die Beute.
Aber welches war die Beute?
Die kleine Deputy, deren Radarschatten etwas unregelmäßig wirkte, schoß plötzlich hervor und rammte die MacAIester.
Gleichzeitig pflügte der gigantische Rumpf der Peace Victory durch die Energieschilder der Courrant und krachte mit dem Heck voran in den Kreuzer. Die beiden Schiffe waren natürlich massenungleich; die Courrant war ein kompakter Brocken, aber sie war kaum ein Viertel so groß wie die Peace Victory.
Im Funk herrschte Chaos.
Die Flanke der Courrant war aufgerissen; keine tödliche Wunde, aber sie würden ein paar kostbare Minuten brauchen, um sie abzudichten.
»Ungläubige!« brüllte Moses auf Kanal 161 B über den Funk der zerfetzten Deputy. »Kinder des Satans! Jetzt erfolgt die Strafe für eure Sünden!«
Ungläubig sah ich zu, als die Peace Victory, jetzt mit offener Bugklappe, auf die anderen Schiffe zumanövrierte und sowohl das zerdrückte Wrack der Deputy als auch die noch intakte, aber manövrierunfähige MacAlester schluckte. Dann gab sie plötzlich vollen Schub und verschwand über den Rand meines Bildschirms.
Courrant! Courrant!« rief ich. »Olag! Wie ist die Lage bei euch?«
Noch nie hatte ich mich so hilflos gefühlt: klein, wehrlos, bedroht. Ich schaltete den Scanner auf breitestes
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