Das Netz der Chozen
»Von ihrer Sorte gibt es viele, wahrscheinlich Millionen. Ich meine Menschen, die sich noch immer an neue Situationen anpassen können. Sie sterben langsam aus, werden durch nichtanpassungsfähige Nadyas ersetzt, die das selbständige Denken verlernt haben. Aber diejenigen, die noch diesen gewissen Funken besitzen, verdienen es, befreit zu Verden, auf einen neuen Weg geführt zu werden, von dessen Existenz sie nicht wissen können. Auf der alten Erde herrschten einst die Dinosaurier, gigantische Tiere, viele Tonnen schwer.
Sie waren unfähig, sich neuen Lebensbedingungen anzupassen, und darum starben sie aus. Jetzt sind wir an der Reihe. Der Vorstoß in den Raum hat diesen Prozeß verlangsamt, aufgeschoben und ein Ventil geschaffen, das den kreativen, anpassungsfähigen Funken am Leben erhalten hat, wenn auch nur latent. Ich wette, daß es auf jedem Schiff eine Marsha gibt — oder zumindest auf jedem zweiten. Das sind die Menschen, die wir retten müssen, Bar! Wir werden sie aus ihrem Dinosaurierdasein erlösen!«
Immer wieder kam der alte fromme Utopist auf dieses Thema zurück, während die Tage vergingen. Mir reichten seine prophetischen Ergüsse, und ich verbrachte immer mehr Zeit mit Marsha. Es entwickelte sich zwischen uns eine Affinität von der Art, die schwer zu beschreiben ist — emotional, geistig, auf keinen Fall war sie physisch. Die ist den Chozen unbekannt. Wir waren gern beisammen, mochten einander als Gesprächspartner.
Ich hatte eine Verbindung dieser Art noch nie kennengelernt.
Und sie auch nicht.
Ham und Eva wurden rasch erwachsen, aber sie hatten George und mich immer für sich gehabt und waren auf >die Neue< zunächst eifersüchtig. Es kostete einige Zeit und Mühe, um sie davon zu heilen.
Obwohl Eva meine Tochter war, identifizierte sie sich stärker mit George und seinen Interessen. Ich hatte den Eindruck, daß sie ihn förmlich anbetete, und wußte, daß ihm diese Verehrung peinlich war. Unter seiner Führung entwickelte sie sich zu einer kompetenten Biotechnikerin. George war ein guter Lehrer, und Eva hatte nicht Georges Handikap, bei seiner Ausbildung auf den Gebrauch von Händen und Augen angewiesen zu sein.
Es war Marsha selbst, die schließlich Hains hartnäckigeit Widerstand gegen sie brach und ihn in unsere kleine Gemeinschaft zurückbrachte. Sie lehrte ihn, die Nijinski zu fliegen.
Währenddessen war es uns mit der Hilfe der Roboter gelungen, die Nijinski auf das Ereignis vorzubereiten, das früher oder später eintreten mußte.
Wir hatten alle Laderäume, die für uns unbrauchbares Material enthielten, ausgeräumt und das Zeug außenbords geworfen.
Nachdem wir in allen Räumen die richtigen Temperatur- und Druckverhältnisse hergestellt und sie mit dem Bio-Monitor-System des Schiffes verbunden hatten, wurden sie mit Grassoden ausgelegt, in die wir ein paar Knollen aus unserem Garten pflanzten.
Das Virus entwickelte sofort eine hektische Tätigkeit. Schon nach wenigen Zyklen überwucherte unser Gras das andere, und wir hatten eine riesige Fläche neuen Weidelandes.
Mit Hilfe der Roboter legten wir jeden Quadratmeter des Schiffes mit Soden aus — mit Ausnahme der Treppen, Rampen und der Brücke natürlich. Innerhalb von vierzig Zyklen war die Nijinski zu einer eigenständigen Chozen-Biosphäre geworden.
Das Chozen-Gras schied so viel Sauerstoff aus, daß wir das Recycling-System abschalten konnten. Wir verbrauchten kaum den Sauerstoff, den die Pflanzen produzierten, und mußten der Luft Kohlendioxid hinzufügen, um sie atembar zu machen.
Was George betraf, so hatte seine Arbeit mit meiner Mithilfe durch den Computer und der von Kain und Abel durch ihre Augen und Tentakel große Fortschritte gemacht. »Ich glaube, daß ich das Virus jetzt ziemlich fest unter Kontrolle habe«, erklärte er mir eines Tages. »Ich kann Wachstum und Tätigkeit beschleunigen und verlangsamen, das Wachstum sogar völlig stoppen. Mit einer geringfügigen Modifikation habe ich es so weit mutiert, daß es nur noch Chozen- und Patmos-Material beeinflussen kann. Es war eigentlich recht einfach. Man brauchte nur etwas Geduld, um die Codegruppen auszusortieren. Ihr Computer hat mir dabei sehr geholfen. Ich habe ihm Moses' Logiksystem eingespeist, und das hat die Möglichkeiten natürlich sehr reduziert.
Ich könnte jetzt sogar die Sekretion herstellen, die Material selektiv zersetzt, wenn ich an den Computer angeschlossen werden kann, um von ihm die analytische Information zu erhalten, die das
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