Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
auch Menschen. Seiner Ansicht nach muss ein künstliches Lebewesen – ebenso wie ein biologisches – seinen eigenen Konstruktionsplan ›ruhend‹ in sich tragen. Genau wie unser genetisches Programm wird auch der Computercode so lange nicht ausgeführt, bis er in ein anderes System übertragen wurde. Dort erst wird er als Bauanleitungscode interpretiert und bringt ein neues künstliches Wesen hervor. Auf diese Weise könnte die Reproduktion bis ins Unendliche fortgesetzt werden, vorausgesetzt, ein geeignetes Milieu ist vorhanden. Die Flora und Fauna findet dieses in unserer Atmosphäre, das virtuelle Leben in der überall anzutreffenden Computerhardware und den internationalen Netzen.«
    Salomon ließ den Kopf seines Kugelschreibers geräuschvoll auf den Konferenztisch niederfahren.
    »Und genau da liegt der Knackpunkt. Das Abschalten des Internets konnte den Cyberwurm gar nicht töten, weil sein ›genetischer Code‹ längst in Tausenden von Rechnern rund um den Globus gespeichert war. Selbst wenn es uns gelingt, das eindeutige Muster dieses Codes, den Fingerabdruck, zu isolieren, wird mein Cyberwurm-Scanner doch nie ganze Arbeit leisten können. Es ist zwar möglich, den Code des Wurmes zu identifizieren und zu zerstören, solange aber der Infektionsherd nicht gefunden ist, kann das Vermehrungsprogramm immer wieder neu ausgestreut und aktiviert werden.«
    »Darüber habe ich vor nicht einmal zwei Stunden mit Mr. Nbugu und Mrs. Shirakaba gesprochen. Sie nennen es den Infektionsherd, ich bezeichne es als das Stammhirn. In jedem Fall läuft es auf dasselbe hinaus. Nur wenn wir das Nest des Cyberwurms ausfindig machen, können wir seine weitere Vermehrung stoppen.«
    »Wie ich hörte, haben Sie schon einiges in die Wege geleitet, um die Jagd im Campusnetz des MIT fortzusetzen.«
    »Das ist richtig.«
    »Dann sollten Sie sich beeilen, Doktor. Die Anzahl und die Härte der neuesten Angriffe aus dem Cyberspace lassen mich befürchten, dass wir nicht mehr viel Zeit haben.«
    »Sie meinen…?«
    Salomon nickte. »Die Phase vier steht unmittelbar bevor: Sämtliche in Computern gespeicherten Informationen unseres Planeten sind gefährdet.«
    »Das heißt, die nächsten beiden Schritte müssen so schnell wie möglich unternommen werden.«
    Salomon sah den Projektleiter verdutzt an. »Zwei Schritte?« DiCampo nickte. »Erstens sollte unser Team nach Boston fliegen und sich in das isolierte Campusnetz des MIT einklinken, und zweitens muss ich Ihnen irgendwie die Zustimmung abringen, Ihre Tochter noch einmal mit dem Intruder auf die Reise zu schicken.«

 
     
     
     
    Phase IV – Die Zerstörung

 
    SZENENWECHSEL
     
     
     
    Salomon hatte DiCampos Bitte kategorisch abgelehnt. Ja, mehr noch, er hatte den Projektleiter einen gemeingefährlichen Psychopathen genannt und war mit finsterer Miene aus dem Konferenzsaal gestürmt.
    Stella hatte sich daraufhin noch mieser gefühlt. Viele Augen lagen auf ihr, als hätte sie gerade diese Szene veranstaltet. Kimiko nahm ihre Hand und Benny nickte ihr aufmunternd zu, was ihr wieder etwas Mut einflößte. Aber noch etwas anderes setzte ihr zu und dies kleidete sie jetzt in Worte.
    »Agaf, was würde geschehen, wenn ich keine Reise mehr mit dem Intruder unternähme?«
    Der Afrikaner lächelte ihr verständnisvoll zu. »Das wäre dein gutes Recht, Stella. Mit Sicherheit wäre es sogar das Beste für dich…«
    »Wir müssten den Cyberwurm mit konventionellen Mitteln jagen«, verdrängte DiCampo unwirsch Agafs sanfte Stimme. »Das hieße mit Sicherheit, wir schnappen ihn nicht mehr, bevor…«
    »Sie habe ich nicht gefragt«, fauchte Stella den Projektleiter an. Ihre Hand drückte die Kimikos noch fester. »Ich wollte die Meinung des Einsatzleiters hören und der sind Sie ja wohl nicht.«
    DiCampos Augen verschossen Giftpfeile, aber er schwieg, wohl wissend, dass dieses forsche Mädchen seine einzige Hoffnung war.
    Agaf konnte sich nur mit Mühe ein Schmunzeln verkneifen. »Niemand kann mit Gewissheit sagen, ob wir den Wurm während der letzten Phase noch aufhalten können. Aber das Dilemma, das der Projektleiter da angeschnitten hat, ist nicht ganz von der Hand zu weisen.«
    Für alle hörbar strömte die Luft durch Stellas Nase aus. Ihre Augen waren auf die Tischplatte gerichtet. Sie nickte. Im Grunde hatte DiCampo nur bestätigt, was sie ohnehin schon wusste. Endlich, etliche Sekunden waren verstrichen, hob sie wieder den Kopf und blickte in die Runde der ihr erwartungsvoll

Weitere Kostenlose Bücher