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Das Netz der Schattenspiele

Titel: Das Netz der Schattenspiele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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komplexen Technik ihr Ziel ebenso erreichen können?«
    »Nicht, wenn man berücksichtigt, zu welch außerordentlichen Leistungen das menschliche Gehirn fähig ist«, antwortete Salomon anstelle DiCampos. Er hatte sehr gut verstanden, warum die NSA ihr Intruder-Projekt so vehement vorantrieb. »Haben Sie schon einmal geträumt, einen Abgrund hinabzustürzen, und sich dann später neben Ihrem Bett wiedergefunden, Agaf?«
    Der Afrikaner lächelte. »Das ist mir tatsächlich schon passiert.«
    »Sehen Sie. Ihr Gehirn hat den Traum in dem Augenblick gestartet, als Ihr Körper ins Rutschen kam. Die Sinnesorgane nahmen den drohenden Fall wahr, aber im Traum wurden ganz andere Schlüsse daraus gezogen, als es im Wachzustand der Fall gewesen wäre. Vermutlich haben Sie träumend sogar längere Zeiträume durchlebt, Minuten, Stunden, vielleicht sogar Tage, bis es dann endlich zu dem großen Fall kam. In Wirklichkeit sind aber nur wenige Sekunden vergangen. Stellen Sie sich bitte diese erstaunliche Leistung in einem System vor, mit dem man durch den Cyberspace, das Internet, reisen kann. Sosehr ich die Ziele ablehne, welche die NSA mit dieser Technologie verfolgt, sosehr muss ich doch bewundern, was Sie hier auf die Beine gestellt haben, Dr. DiCampo.«
    Der wiederum schien ehrlich erstaunt über dieses Lob aus dem Mund eines Kritikers. Er verneigte sich sogar und sagte: »Vielen Dank, Professor Kalder. Vielleicht gelingt es mir ja auch noch, Ihre anderen Bedenken zu zerstreuen. Ich würde mich gerne etwas mit Ihnen«, dann nickte er Stella zu, »und auch mit Ihrer reizenden Tochter nach unserem Meeting in meinem Büro unterhalten. Es gibt ohnehin noch ein paar Dinge, die wir bereden müssen.«
    Die erste Lagebesprechung des aus Mitarbeitern von UN und NSA gebildeten Cyberworm-Teams dauerte etwa zwei Stunden. Nachdem DiCampo sein Intruder-Projekt in der gebührenden Breite beschrieben hatte, widmete man sich verfahrenstechnischen Fragen. Es wurden mehrere Arbeitsgruppen gebildet, die sich verschiedene Aspekte der Ermittlung vornehmen sollten.
    Während über »elektronische Fingerabdrücke«, Server-Logs und ähnliche technische Dinge diskutiert wurde, schielte Stella wiederholt zum Roten John hin. Der muskelbepackte Hüne stand noch immer an der Wand neben der Tür, als müsse er diese mit Leib und Leben bewachen. Mehrmals blickte er zu ihr hin, doch jedes Mal, wenn sie ihn dann direkt ansah, schaute er in eine andere Richtung.
    DiCampo kündigte für den nächsten Morgen eine weitere Besprechung an. Als wäre er und nicht Agaf Nbugu Chef dieses Unternehmens, schlug er fortan für jeden Morgen um neun Uhr ein gemeinsames Briefing in dem großen unterirdischen Konferenzsaal vor. Bei diesen Treffen wolle man die Ergebnisse der jeweils letzten vierundzwanzig Stunden besprechen und sich für die nächsten abstimmen. Agaf verzichtete darauf, den dynamischen kleinen DiCampo in seine Schranken zu verweisen. Vermutlich behielt er sich das für ein Vieraugengespräch vor. Außerdem dürfte er ohnehin einen ähnlichen Vorschlag im Sinn gehabt haben. Also stimmte er DiCampos Offerte zu.
    Im Anschluss an die Besprechung zeigten die NSA-Mitarbeiter den neuen Teamkollegen die Quartiere. Stella staunte nicht schlecht, als ihr und Salomon ein Zweibettzimmer mit einem separaten Bad zugewiesen wurde. Friedman hatte es sich nicht nehmen lassen, den Kalders persönlich ihre Räumlichkeiten im zweiten Untergeschoss der Laboranlage zu zeigen.
    »Der Bunker unter ›Bau 203‹ – so nennen wir das zweistöckige Gebäude über diesem geheimen Forschungskomplex – wurde so konzipiert, dass in ihm neunzig Personen fünf Jahre lang ohne jeden Kontakt zur Außenwelt überleben können. Neben den hierzu eingerichteten Mannschaftsquartieren gibt es auch einige Räume für den Führungsstab. DiCampo hat darauf bestanden, Ihnen und Ihrer Tochter eine von den Nobelstuben zuzuweisen. Gleich nebenan schläft übrigens der Teamleiter, Mr. Nbugu, und noch eine Tür weiter Mrs. Shirakaba.«
    Stella hatte die beinahe wohnlich anmutende Einrichtung sogleich in Augenschein genommen. Das Bad verfügte über eine Dusche, der kombinierte Wohn- und Schlafraum über zwei geräumige Betten, eine winzige Sitzgruppe mit drei Sesseln und sogar einen Schreibtisch.
    »Kann ich hier irgendwo meine Computer anschließen?«, wollte Salomon sogleich wissen.
    »Unter dem Schreibtisch finden Sie Anschlüsse für das laborinterne Netz. Auf welche Rechner Sie von dort aus zugreifen

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