Das Netz
als seine mögliche Nachfolgerin benannt.
»Wenn das so ist, kann sie natürlich bleiben«, sagte Warner. »Und jetzt machen Sie bitte den Umschlag auf.«
Tweed tat, was der Minister von ihm wollte. Er zog eine Fotografie heraus.
»Was ist das Ihrer Meinung nach?«, fragte Warner mit bedeutungsschwangerer Miene.
»Ein Foto vom Canary Wharf Tower.«
»Das nächste Ziel der Terroristen«, sagte der Minister düster.
»Woraus schließen Sie das?«
»Zwei Polizisten in den Docklands ist ein Mann aufgefallen, der den Canary Wharf Tower ungewöhnlich oft und von allen Seiten fotografiert hat. Sie haben ihn sich geschnappt. Buchanan hat den Film entwickeln lassen und mir per Kurier die Bilder geschickt. Der Mann sitzt jetzt im Polizeigewahrsam, weil sich herausgestellt hat, dass er ein Mitglied der IRA ist. Er wurde erst vor ein paar Monaten aus dem Gefängnis entlassen.«
»Was wissen Sie über ihn?«, fragte Tweed.
»Er heißt Tim O’Leary. Angeblich hat die IRA ihn vor Jahren für ein paar Monate in den Nahen Osten geschickt, um dort Waffenlieferanten zu suchen. Er spricht fließend Arabisch.«
»Und er hat den Canary Wharf Tower derart auffällig fotografiert, obwohl zwei Polizisten in der Nähe waren?«
»Wahrscheinlich hat er sie nicht bemerkt. Oder er hat geglaubt, dass er sich am wenigsten verdächtig macht, wenn er seine Bilder vor aller Augen schießt. Wie gesagt, es war reiner Zufall, dass die Polizisten vor Ort waren.«
»Dann glauben Sie also, dass der Canary Wharf Tower das nächste Ziel für einen Anschlag der IRA ist?«
»Ja, möglicherweise gleichzeitig mit der Saint Paul’s Cathedral. Ich habe bereits alle nötigen Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Jeder, der eines der beiden Gebäude betritt, wird gründlich durchsucht. Und nicht nur das...« Warner geriet jetzt richtig in Fahrt. »Die Royal Air Force sichert den Luftraum über London rund um die Uhr mit Kampfflugzeugen und hat strikte Anweisung, jedes Flugzeug abzuschießen, sobald es in die von uns eingerichteten Flugverbotszonen eindringt. Das gilt auch für Passagiermaschinen. Sie sehen, Tweed, wir sind auf alles vorbereitet - ganz gleich ob auf dem Boden oder in der Luft. Es gibt für Sie also keinen vernünftigen Grund mehr, sich weiterhin um diese Sache zu kümmern. Und jetzt darf ich mich von Ihnen verabschieden.« Warner stand auf.
»Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie sich extra zu uns herbemüht haben, um uns auf den aktuellen Stand zu bringen«, sagte Tweed mit ruhiger Stimme.
Paula hielt Warner, der sich dafür mit keinem Wort bei ihr bedankte, die Tür auf. Er war noch keine zehn Minuten weg, da klingelte abermals das Telefon. George teilte Monica mit, dass Jules Beaurain soeben eingetroffen sei.
»Jetzt wissen wir wenigstens, warum der arme Kerl so lange am Flughafen hat warten müssen«, sagte Tweed. »Das verdankt er bestimmt Warners neuen Sicherheitsvorkehrungen in Heathrow. Sagen Sie ihm, dass er heraufkommen soll.«
Paula, die einen von der langen Reise und den Unannehmlichkeiten am Flughafen erschöpften Mann erwartet hatte, war ganz erstaunt, als der Belgier nun voller Elan mit einem breiten Grinsen im Gesicht ins Büro marschiert kam. Er sah aus, als könne er Bäume ausreißen.
Beaurain, der eine unauffällige Windjacke und legere Cordhosen trug, setzte sich in einen der Sessel und stellte seinen kleinen Aktenkoffer auf dem Boden ab.
»Ich habe wichtige Neuigkeiten für Sie«, sagte Tweed.
»Ich auch, aber ich lasse Ihnen gern den Vortritt«, sagte Beaurain. Er hörte aufmerksam zu, während Tweed ihm von Warners Überraschungsbesuch erzählte.
»Und? Was halten Sie davon, dass der Canary Wharf Tower das Ziel eines Anschlags werden soll?«, fragte Tweed abschließend.
»Schon wieder ein Täuschungsmanöver«, antwortete der Belgier trocken.
12
»Ein Täuschungsmanöver?«, rief Paula aus. »Das haben Sie auch über die Zeichnung von der Saint Paul’s Cathedral gesagt.«
»Stimmt. Und zwar deshalb, weil ich fest davon überzeugt bin, dass diese Bilder und Zeichnungen einzig und allein dem Ziel dienen, uns auf eine falsche Fährte zu locken. Wer auch immer uns dieses Material in die Hände spielt, betreibt gezielte Desinformation. Das ist doch sonnenklar.«
»Ich bin vollkommen Ihrer Meinung«, sagte Tweed. »Ich sehe das auch so.«
»Wieso ist es denn so klar?«, fragte Paula.
»Paula, Sie sind doch eine hochintelligente Frau«, sagte Beaurain mit einem Lächeln. »Führen Sie sich doch bloß einmal
Weitere Kostenlose Bücher