Das Netz
Notfällen.«
»Vergessen Sie nicht, die Dossiers mitzunehmen«, sagte Monica und reichte ihm einen dicken Schnellhefter. Tweed schob den Hefter in seine Aktentasche. Dann zog er seinen Mantel an und verließ das Büro.
Stunden später klappte Tweed, der im Schlafanzug im Bett saß, den Schnellhefter zu und legte ihn auf den Nachttisch, wo bereits ein dicker Block mit Notizen lag. Er wollte gerade das Licht ausmachen, da klingelte das Telefon. Tweed sah auf seinen Wecker. Es war sechs Uhr früh.
»Guten Morgen, Tweed, hier ist Monica. Bitte entschuldigen Sie die Störung, aber Sie sagten, in Notfällen dürfte ich sie anrufen...«
»Was ist passiert?«
»Superintendent Buchanan war gerade hier. Er hat mir gesagt, dass Mrs Gobble verschwunden ist. Ihr Wagen wurde verlassen auf der Straße nach Carpford gefunden.«
17
Als der Zug in den Bahnhof von Verona einfuhr, war es schon dunkel. Paula und Beaurain stiegen aus und gingen dann den kalten, fast leeren Bahnsteig entlang.
»Einen Augenblick«, sagte Beaurain und tat so, als müsste er sich den Mantel zuknöpfen. In Wirklichkeit schaute er aber nach links ans Ende des Zugs, wo gerade zwei Männer in dunklen Mänteln aus dem letzten Waggon stiegen.
»Ich wusste doch, dass wir noch immer verfolgt werden«, knurrte er.
»Wer sagt Ihnen denn, dass das nicht zwei ganz normale Geschäftsleute sind?«
»Haben Sie nicht gesehen, dass sie ständig zu uns herüberschauen? Los, verschwinden wir von hier.«
Noch während er das sagte, schritt er mit seinen langen Beinen so kräftig aus, dass Paula ihm nur mit Mühe folgen konnte. Bald hatten sie den Bahnhof verlassen, und vor Paula tat sich im Licht der Straßenbeleuchtung und des soeben aufgegangenen Mondes eine mittelalterliche Stadt voller architektonischer Kostbarkeiten auf. Sie war so begeistert von der Schönheit der alten Häuser mit ihren eleganten Bogen und Säulenreihen, dass sie fast vergaß, weshalb sie und Beaurain hier waren.
»Sind diese Bauten von Palladio?«, fragte sie.
»Nein, aber von Palladio inspiriert. Übrigens, die Arena wird Ihnen bestimmt gefallen. Die stammt noch aus der Römerzeit.«
»Ist sie denn so beeindruckend wie das Kolosseum in Rom?«
»Das Kolosseum ist eine Ruine, während die Arena hier völlig intakt ist. Im Sommer finden darin sogar Opernaufführungen statt. Sehen Sie, da vorn ist sie schon.«
Staunend blieb Paula stehen. Das hohe Oval des Amphitheaters sah wirklich so aus, als wäre es erst ein paar Jahre zuvor erbaut worden.
»Sollen wir schon hineingehen?«, fragte Paula.
»Nein, wir haben noch Zeit. Fast eine Stunde. Trotz des langen Aufenthalts auf freier Strecke vorhin. Gehen wir doch einfach in die Bar dort drüben. Da können wir uns aufwärmen.«
Als Beaurain die Glastür der Bar aufstieß, kam ihnen ein Schwall warmer Luft entgegen. Das Lokal war bis auf eine junge schwarzhaarige Frau, die hinter dem Tresen stand, leer.
»Was darf’s sein?«, fragte sie. Ihr Englisch war mit einem breiten amerikanischen Akzent versehen.
»Zwei Espressi«, sagte Beaurain. »Sind Sie denn Amerikanerin?«
»Ja, ich komme aus Kansas. Mein Dad arbeitet in Mailand bei einer Computerfirma. Aber die Stadt hat mir nicht gefallen, deshalb bin ich nach Verona gezogen. Mein Vater hat hier eine riesige Eigentumswohnung, die fast schon ein kleiner Palast ist.«
Beaurain bemerkte, dass Paula sehnsuchtsvoll auf einen Teller mit Gebäck blickte, der hinter der Theke in einer Kühlvitrine stand. »Sie haben doch nicht etwa schon wieder Hunger?«
»Sie müssen unbedingt eine von diesen köstlichen Makronen probieren«, sagte die junge Frau, die Paulas Blicke ebenfalls bemerkt hatte. »Wenn sie Ihnen nicht schmeckt, brauchen Sie sie nicht zu bezahlen.« Sie nahm mit einer Servierzange eine der Makronen und reichte sie Paula auf einem kleinen Teller. »Ich heiße übrigens Sandy.«
»Angenehm«, antwortete Paula. »Ich bin Jenny, und das ist Peter.«
Paula aß die Makrone - oder was auch immer es war - und bat Sandy anschießend sofort um eine zweite.
Sandy deutete auf einen Tisch neben der Tür. »Warum setzen Sie sich nicht? Ich bringe Ihnen die Sachen dann an den Tisch.«
»Gute Idee«, sagte Beaurain.
Er wählte einen Stuhl, von dem aus er einen guten Blick hinüber zur Arena hatte. Kurze Zeit später brachte Sandy zwei Tassen mit Espresso und einen Teller voller Makronen. Dann blieb sie, die Hände in die Hüften gestützt, vor dem Tisch stehen.
»Sie sind Engländerin,
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